Randfiguren im Scheinwerferlicht
Faktor 7 und Faktor 8 - Mai 2018 (Anonyme Charaktere aus dem Buch "Die Bitcoinverschwörung"
Alles
hatte eine sehr enttäuschende Wendung genommen. Nachdem das ganze Bitcoin
Projekt über fünf Jahre so beharrlich aufgebaut worden war, schien alles, wie
einst Avalon, in den Nebeln zu versinken.
Peter
Hamish, ehemaliger Faktor 8, saß auf der großen Terrasse seines Ferienhauses
in Cornwall und schaute auf das Meer. Seemöven flogen durch die Luft und das
Rauschen der Wellen, die an die Steilhänge schlugen, waren bis hierher zu
hören.
Morgen
hatte sich Besuch angekündigt: Faktor 7, der, wie er nun wusste, eine
Italienerin war, Isabella Maroni, eine Nichte des ehemaligen Staatspräsidenten
von Italien, Belascani. Gemeinsam wollten sie sich über die Zeit austauschen
und beraten, wie sie an ihr Vermögen kamen, das noch immer gebunden in China
lag. Denn von Faktor 1 hörten sie nichts mehr.
Im
Grunde war es ein Zufall gewesen, dass sie ihre Identitäten kannten. Faktor 1
hatte darauf großen Wert gelegt, dass sich keiner traf oder gar Kontakte mit
anderen aufbauen konnte. Sie hatten sich beide am Flughafen in Marseille
getroffen, als sie auf eigene Faust angereist waren, um nach dem Rechten zu
sehen. Ein Wunder, dass sie beide gleichzeitig aus dem Gebäude kamen, um ein
Taxi zu rufen. Und sich fast deswegen in die Haare bekommen hatten, da nur
eines verfügbar gewesen war. Schließlich stiegen sie gemeinsam ein, um überrascht festzustellen, dass sie das gleiche Ziel hatten. Und sie beide am Vieux
Port standen, hatten sie entdeckt, dass
sie mehr verband, als sie gedacht hatten. Sie
hatten jedoch nichts erreichen können und sich schließlich ins Lafayette
gesetzt, um einen Café zu sich zu nehmen und sich lange unterhalten.
Das
war Schicksal, hatte Hamisch gedacht; er glaubte an so etwas. Isabella schien
das typische Temperament einer Italienerin zu haben, elegant gekleidet, lange, dunkle
Haare, die sie offen trug, feurige, dunkelbraune Augen und eine wirklich gute
Figur. Vielleicht wollte ihn ja das Leben entschädigen für die ganzen Pleiten? Denn
mittlerweile hatte er nicht nur beruflich, sondern auch geschäftlich Schiffbruch erlitten. Und so war ihm von
seiner ganzen Pracht nur noch sein schönes Haus und sein Auto geblieben.
Aber es musste einfach möglich sein, das Geld zurück zu ordern. Doch an wen sich wenden?
Die Überweisung lag Jahre zurück. Faktor 1 schien verschollen und auf
Kontaktversuche gab es keine Antwort. Aufgrund der ganzen Unruhen ging er davon
aus, dass der Plan nicht aufgegangen war. Hatte sich Faktor 1 mit dem ganzen
Geld abgesetzt? Eine beunruhigende Vorstellung, vor allem angesichts seines
leeren Kontos! Vielleicht hatte Isabella da andere Möglichkeiten, als Nichte
des ehemaligen Staatspräsidenten. Er holte sie vom Flughafen ab.
"Peter,
wie schön dich zu sehen!" Sie umarmte ihn überschwänglich bei der Ankunft.
"Isabella,
hattest du einen guten Flug?"
Sie
hatte nur einen Koffer und ihre Laptoptasche dabei und stöckelte neben ihm zu
seinem Auto. Während sie ihre Sachen einlud, betrachtete er sie. Auch dieses Mal trug sie
ein elegantes Kleid und einen leichten Mantel. Sie strahlte ihn an, als sie
sah, dass er sie betrachtete und wirbelte ihre lange Mähne durch den Wind. Eine
schöne Frau, dachte er.
Das
Leben hatte ihn in dieser Hinsicht leider nicht sehr verwöhnt. Nachdem alles
verloren war, hatte seine langjährige Lebensgefährtin ihre Sachen gepackt und ihm
ins Gesicht gesagt, dass sie sich das Ganze anders vorgestellt hatte.
Schließlich könne er von ihr nicht erwarten, dass sie so ein Leben mit ihm
teile.
Er
hatte sich an jenem Abend sinnlos betrunken und war am nächsten Morgen mit
einem Katzenjammer aufgewacht. Aber letzten Endes half es ihm nichts. Er
realisierte allmählich, dass er mehr oder weniger alleine dastand und sich von
den vielen, ach so guten Freunden, kaum einer mehr einfand.
In Cornwall schließlich angekommen, zeigte er ihr das Gästezimmer, das wie ein kleines Apartment einen eigenen
Zugang hatte, mit einem kleinen Bad und Mini-Küche. Nach der Schlüsselübergabe
lud er sie ein - er hatte einiges besorgt und überraschte sie mit einem selbst
gebrutzelten Gericht. Auch etwas, das er sich mittlerweile angewöhnt hatte.
Jeden Tag ins Restaurant war nicht mehr drin.
Isabella zeigte sich begeistert: "Bello, du kochst? Das ist phantastisch, ganz wie mein
Papa!"
Sie
hatten gegessen und machten einen kleinen Verdauungsspaziergang an den Klippen.
Dabei erzählte Isabella, dass sie mittlerweile über die Geheimdienstkanäle
ihres Onkels erfahren hatte, dass alles aus und vorbei war und Faktor 1 nicht
mehr am Leben.
Er
schwieg. Das Schlimmste schien sich zu bewahrheiten.
Sie
fügte dann hinzu, dass ihr Onkel, der hinter ihr als Faktor 7 gestanden hatte,
bereits mit der Bank in China Kontakt aufgenommen hatte. Er rechnete fest damit,
dass das Geld zurück überwiesen wurde, da das Projekt geplatzt war. Das war wiederum
eine gute Nachricht, aber wie sollte er jetzt vorgehen? Er war nur ein
Abgeordneter im Oberhaus gewesen, hatte aber den Posten mittlerweile nicht mehr inne und hinter ihm
stand letzten Endes niemand.
Isabella
lachte und meinte: "Peter, das kriegen wir schon noch hin. Ich habe alles
mitgebracht und ich zeige dir, was du tun musst." Sie schaute auf das
Meer. "Ich wusste nicht, dass es hier so herrlich ist!"
Nach
dem Spaziergang setzten sie sich zusammen und schließlich war die Anfrage
gestellt. Erleichtert lehnte er sich zurück. Jetzt hieß es: Daumen drücken!
Am
Abend saßen sie gemütlich zusammen auf der Terrasse, mit einem Glas Wein in der
Hand. Vorher hatten sie zusammen einen Salat und einen Auflauf gesessen, den er
unter ihren staunenden Augen zubereitet hatte.
Während
die Abenddämmerung hereinbrach, holte er ihr eine Decke und zündete den Kamin
an. Genussvoll streckte sie sich aus: "Es ist wunderschön hier, aber ist
es nicht manchmal etwas einsam? Wo ist deine Frau?"
"Tja,
es gibt keine Frau mehr in meinem Leben", meinte Peter lakonisch und sah
auf das endlose Meer, auf dem sich die letzten Strahlen der untergehenden Sonne
rötlich spiegelten. "Als ich mit meiner Firma insolvent wurde, war sie
weg." Er sah Isabella regungslos an und ergänzte: "Ich bin arm wie
eine Kirchenmaus. Niente, alles weg. Das kleine Paradies hier ist alles, was
mir geblieben ist. Mein Bentley draußen war abgemeldet, daher haben die ihn
nicht in die Finger gekriegt. Jetzt weißt du auch, warum ich so gerne
koche!"
Isabella
schwieg betroffen und sah lange auf das Meer heraus. Das hatte sie nicht erwartet. Aber je länger sie darüber nachdachte ... im Grunde war es perfekt.
Hier war ein idealer Ort, um unterzutauchen, auf der Flucht vor ihrem Ehemann
und seinem Mafia-Clan. Damals war sie schon nach Marseille geflohen und noch
einmal zurückgekehrt. Aber sie hatte es endgültig satt. Ständig eine andere
Geliebte und Pietro machte noch nicht einmal mehr ein Geheimnis daraus. In
ihrem letzten Streit hatte er ihr wütend an den Kopf geworfen, wo sie hier
die Kinder sehen würde, die er von ihr erwartet hatte. Dann hatte er sie
verächtlich angesehen und kalt gesagt, dass sie als Frau vollkommen wertlos sei
und er es bedaure, sie je angesehen zu haben. Sie
hatte in der Nacht ihre Sachen gepackt und die Kontaktdaten von Hamisch
herausgesucht. Und so war sie hier gelandet. Es kam langsam ein frischer Wind
auf und sie kuschelte sich in die Decke, dem flackernden Kaminfeuer zugewandt.
Es
war nicht so, dass Hamisch bitterarm sein würde, dachte sie - der Rest seines Vermögens
würde freigegeben werden und er konnte, wenn er es richtig anstellte, noch
angenehm davon leben. Und sie ebenfalls. Sie wandte sich ihm zu und
registrierte, dass er sie aufmerksam ansah. Es gefiel ihr durchaus, was sie
sah: Er hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit diesem Schauspieler in den Filmen,
Colin Firth. Ruhig, mit einer leicht traurigen Ausstrahlung in seinem Gesicht,
blaue Augen und dunkelbraunes Haar, das an den Schläfen bereits grau war.
Hamisch
hatte sie nach seinen letzten Worten beobachtet und sofort ironisch gedacht:
Das hat sie wohl jetzt etwas zu verdauen! Als ehemaliger Faktor hätte sie
erwarten können, hier einen gewissen Wohlstand vorzufinden. Er hatte sich
sowieso schon gewundert, warum sie ihn besuchen wollte und von dieser einsamen
Ecke von Cornwall begeistert war. Frauen waren eben doch allesamt gleich,
dachte er verbittert.
"Peter",
begann sie, "das tut mir sehr leid. Was musst du von uns Frauen nur
denken!"
Hamisch
schwieg. Sie würde jetzt sicherlich nach ein wenig Smalltalk verkünden, dass
sie morgen abreisen würde. Na gut, je früher, desto besser.
Isabella
sah, dass er sich immer mehr verschloss und beschloss, dass es höchste Zeit
war, in die Offensive zu gehen.
"Komm,
wir setzen uns ein wenig näher an das Feuer, es wird kalt." Sie rückte mit
ihrem Stuhl direkt neben ihn. Am knisternden Kaminfeuer in der Dunkelheit
sitzend nahm sie seine Hand, was er erstaunt zur Kenntnis nahm. Sie fühlte sich
gut an, diese Hand, dachte Isabella und erspürte sie wortlos. Es waren warme,
starke Hände, die einer Frau Sicherheit geben konnten und die eine gewisse
Sensibilität über den dazugehörigen Menschen verrieten. Ihre Nonna hatte das
zweite Gesicht gehabt und von ihr hatte sie wohl auch diese Gabe, über die sie
selten sprach. Sie drehte seine Hand um und fuhr die Lebenslinien entlang.
Peter sah sie verblüfft an: "Du kannst in Händen lesen? Was siehst
du?"
"Mmh,
ein langer Weg und viel Unglück in der Vergangenheit, aber es geht bergauf
und...", sie schaute ihn plötzlich strahlend an, "eine neue Liebe
wartet auch auf dich und damit wendet sich das Blatt."
Überrascht
überließ er ihr seine Hand, die sie weiterhin behielt, sich in den Stuhl
zurücklehnend. Sie erzählte ihm von ihrer Nonna, die sie sehr geliebt hatte und
von ihrer Jugend in Italien. Etwas Wehmütigkeit klang heraus, wie er
fand. Also war sie mit ihrem Leben wohl auch nicht so zufrieden ... verlorene
Jahre, die nicht mehr wiederkehrten.
Irgendwann
registrierte er, dass sie immer noch seine Hand hielt. Peter warf ihr
einen Seitenblick zu und sah sie sinnend in das knisternde Feuer schauen.
Isabella hatte, als sie seine Hände betrachtete, auch etwas für sich selbst
gesehen, was sie nicht erwartet hatte. Es würde auch für sie ein neuer Mann kommen;
das was sie für ihn gesehen hatte, galt für sie auch. Würde er es sein? So
genau wusste sie es nicht.
Sie
merkte, dass er sie ansah und erwiderte jetzt seinen Blick. "Lass uns
reingehen", meinte sie und stellte fest, dass sie zögerte, seine Hand loszulassen.
Sie lächelte ihn an und fügte hinzu: "Hast du noch einen Wein für
uns?"
Er
folgte ihr, überrascht von der unerwarteten Wendung, die der Abend genommen
hatte. Als
sie nebeneinander auf der Couch saßen, erzählte
sie ihm die ganze Wahrheit über ihren Ehemann, den sie verlassen hatte, und
dass hinter ihr nicht die italienische Regierung, sondern der Mafia-Clan ihres
Mannes mit all seinem Geld gestanden hatte. Dass sie hierher geflohen war aus
einem Leben, in dem sie zutiefst unglücklich gewesen war.
"Und
das ist alles, Peter, jetzt weißt du alles."
Sie
hatte ihn aus ihren schönen Augen ernst, traurig und
verheißungsvoll zugleich angesehen.
Nun
war es an ihm, in die Ferne zu schauen, um über das nachzudenken, was sie ihm
gerade gestanden hatte. Er stellte fest, dass Isabella ihn schon wieder
überraschte. Daran hatte er schon gar nicht mehr glauben wollen, dass Frauen
ehrlich waren. Warum also hatte sie ihm das so offen erzählt? Sie hätte ihm auch
etwas vormachen können und bald hatte er ja auch sein Geld. Und ihr Onkel hätte
ihr finanziell bestimmt auch aus der Patsche geholfen. Sie
sahen sich beide still an. Ja, er fühlte sich zu ihr hingezogen und damals in
Marseille hatte er schon gedacht, dass es kein Zufall war, dass sie sich beide
begegnet waren.
"Isabella",
begann er, "du bist hier willkommen, so lange du willst."
Die
Luft zwischen ihnen schien jetzt zu prickeln und er spürte, wie ein Verlangen
in ihm aufstieg. "Isabella...", flüsterte er, während seine Hand zu
ihrem Gesicht wanderte, ihre Wangen entlang strich und durch die wunderschönen
Haare fuhr.
"Isabella", sagte er beglückt, als sie seine Berührungen erwiderte und schließlich sanken sie, sich aufgewühlt liebkosend, in die Kissen.
Am nächsten Morgen saß sie in seinem Pyjama am Frühstückstisch. Peter schwenkte gerade die Eier in der Pfanne und sie schaute ihm andächtig zu und dachte an die Nacht mit ihm. Sie war in ihrem Leben als Frau so ausgehungert gewesen; hungrig nach Aufmerksamkeit und Liebe hatte sie förmlich alles aufgesogen, was er ihr hatte geben können. Liebevoll lächelte sie ihm zu. Er hatte ihr gut getan, dieser wunderbare Mann und sie freute sich auf das, was sie gemeinsam mit ihm noch entdecken und erleben würde.