Michael Röttger - Li Wang
Charaktere aus der Zukunftsreihe "Gefangen im Zeitparadox" - im Jahr 2153, Planet Erde, Hauptstadt Towns of Planets - nach der erfolgreichen Rettungsmission in der Offiziersmesse der Raumakademie
Michael Röttger, bereits mit 35 Jahren
Admiral und Oberkommandierender der Raumschiffflotte der USOP (UNITED STATES OF
PLANETS) und Commander der SOLARIS, dem gerade in Dienst gestellten Flaggschiff
der USOP, hielt sich bereits seit einer halben Stunde in der Empfangshalle der
Offiziersmesse auf. Er hatte ein Date mit Li Wang um 19.00, war aber schon
früher erschienen. Bei einer Tasse Tee dachte er über die
vergangene Zeit auf der EXTREMUS 1 nach. Wang war ein Crewmitglied, eine
30-jährige Chinesin mit dem Fachgebiet Planetares Terraforming. In der letzten Mission wurden er und seine Crew durch einen missglückten Test auf
der EXTREMUS 1 in das 19. Jahrhundert nach Texas verschlagen – und nicht lange
danach erfreulicherweise gerettet.
Röttger hatte sich von Anfang an zu ihr
hingezogen gefühlt, aber bisher entschieden, sich zurückzuhalten. Also, was
hatte ihn eigentlich dazu veranlasst, sie so spontan um ein Rendezvous zu
bitten?
Im Grunde wusste er es nicht so genau, dachte er bei sich. Vielleicht war es
die Mission gewesen, von der sie nicht wussten, ob sie jemals zurückkehren
würden. Und dann hatte er von ihr geträumt, in der ersten Nacht ihres Rückflugs
durch die Zeit. Er hatte sich selbst als Oberkommandierender in der Zentrale
des neuen Raumschiffs, der SOLARIS, stehen sehen. "Auf zu den
Sternen", hatte er gesagt. Dabei stand er dort Hand in Hand mit Li Wang,
die ihm strahlend zulächelte. Ein sehr schöner Traum. Vielleicht hatte ihn das
ermutigt? Er sah auf die Uhr. Eigentlich müsste sie jede Minute
erscheinen.
Als sie hereinkam, betrachtete Röttger sie mit angehaltenem Atem. Das schwarze,
enganliegende Kleid, das eine Schulter verlockend freiließ, betonte ihre gute
Figur. Sie strahlte eine schlichte Eleganz aus und ihr dunkles Haar, das sie
sonst hochgesteckt trug, fiel ihr jetzt weich auf die Schulter. Sie war eine
attraktive Frau mit feinen Gesichtszügen und tiefgründigen, braunen
Augen.
Li Wang betrat die Empfangshalle und
entdeckte ihn sofort. Michael Röttger hatte immer schon gefallen. Seine Ruhe
und seine nicht zur Schau getragene Selbstsicherheit hatten ihr in der letzten
Mission das Gefühl gegeben, gut aufgehoben in eine ungewisse Zukunft zu reisen,
egal, was passieren würde. Aber bisher hatte er so gar keine Anstalten gemacht,
sich ihr zu nähern - was sich gerade geändert hatte.
Eigenartigerweise wunderte sie sich nicht
darüber. In der Nacht nach ihrer Rettung hatte sie einen sehr intensiven,
wunderbaren Traum gehabt. Wilde Pferde waren darin vorgekommen, ein starkes Gefühl
von unbändiger Freiheit, ein knisterndes Lagerfeuer mit einem kauzigen Cowboy, der
sie mit seinen graublauen Augen anlächelte. Aber dann waren es Michaels Augen
gewesen, der ihr warm und einladend die Hände entgegenstreckte.
Wang hatte lange darüber nachgedacht. Sie
wurden bereits knapp 2 Tage, nachdem sie in Texas gelandet waren, aus der
Vergangenheit wieder abgeholt. Aber die SOLARIS startete zu ihrer Rettung in der
Zeit des Jahres 2153 erst gute fünf Monate später. Konnte es nicht doch sein,
dass sie dort doch länger gelebt hatten als angenommen? Niemand hatte eine
Erinnerung daran, was logisch war – es gab nur diesen Traum. Und da war noch
ein klein wenig mehr. Dieser Moment nach der Verabredung, als sie sich
angesehen hatten. Es hatte etwas in der Luft gelegen, was sie nicht ausmachen
konnte. Eine eigenartige, besondere Vertrautheit zwischen ihnen … fast magisch,
dachte sie, während sie eine kleine Gänsehaut bekam.
Als Röttger sich lächelnd erhob, tauchte
erneut das Gefühl auf, dass etwas seine Schatten vorauswarf und ohne
nachzudenken, streckte sie ihm unter dem Eindruck des Augenblicks die Hände
entgegen.
Michael Röttger spürte eine warme, tiefe
Freude in sich aufsteigen, als er sie mit leuchtenden Augen auf sich zukommen
sah. Ein Gefühl von Déjà-vu ergriff ihn und als sie ihre Hände hob, schien es
nur natürlich, sie sanft an sich ziehen. Beglückt hielt er sie im Arm und als
Li ihn glücklich anstrahlte, war ein Kuss die ersehnte Vollendung.
Alles um sich herum vergessend in der Süße
dieses Augenblicks standen sie eine ganze Weile in der Empfangshalle, bis sie
allmählich wieder wahrnahmen, wo sie sich befanden.
"Hm, ich habe uns einen Tisch bestellt. Hast du ein wenig Appetit?",
meinte Röttger lächelnd, als sie sich voneinander gelöst hatten. Arm in Arm
betraten sie die Messe und ließen sich nieder. Er wurde von einigen Anwesenden
freundlich begrüßt und beide spürten, wie sich alle Augenpaare auf sie
richteten.
Nachdem das Essen bestellt war, hielten sie sich an der Hand und hatten nur
noch Augen füreinander. Röttger gestand ihr, dass er schon zu Beginn der
letzten Mission Gefühle für sie gehabt hatte, aber sie war ihm so unnahbar
erschienen und daher hatte er gedacht ...
Staunend unterbrach ihn Wang, um ihm
ihrerseits zu erzählen, dass sie sich eine Aufmerksamkeit von ihm nur gewünscht
hätte. Zu guter Letzt kam zutage, dass jeder zuvor voneinander geträumt hatte.
Und als sie ihre Vermutung äußerte, hatte er sie überrascht angesehen.
"Nun, was denkst du darüber?"
Röttger meinte nachdenklich: "Lass uns
mal zusammenfassen. Am 15. März 2153 begann das Desaster und wir wurden in das
Wurmloch geschleudert. Nach dem Sprung durch die Zeit waren wir am 5. April in der
Mondumlaufbahn und am 7. April landeten wir mit der EXTREMUS 2 in Texas ...
"
"... und am 30. Sept 2153, 12.00 UTC, startete Admiral Liu mit einer
Zeitreise zu unserer Rettung", ergänzte Wang und sah ihn bedeutungsvoll an.
"Ich meine, auch wenn die SOLARIS durch die Zeit rückwärts reiste und uns
am 7. April abholte …"
"... könnten wir, in jener Zeit des Wilden Westens, zwischen dem 7. April
und dem 30. September, jede Menge erlebt haben ", stellte Röttger
zustimmend fest.
Eine Zeitlang schwiegen beide, ihren Gedanken nachhängend.
"Ich erinnere wirklich mich an nichts", meinte Wang dann, "der
einzige Hinweis ist mein Traum. Pferde, ein Rabe und ein Cowboy am
Lagerfeuer."
Sie lachte und wurde dann wieder nachdenklich, seine Hand
ergreifend: "Und dann warst du da, Michael ... und dieses starke Gefühl der
Vertrautheit zwischen uns. Es hat mich nicht gewundert, als du auf mich zukamst.
Selbst vorhin in der Halle war es so, als wollte ich nichts anderes, als dir
sehnsüchtig entgegenzugehen."
Weich erwiderte Röttger: "Es ging mir genauso, Li. Waren wir ein Paar, in
jener Zeit? Wir werden es wohl nie erfahren."
Sie bezahlten und gingen auf die Terrasse, um die die Skyline der Regierungshauptstadt des Planetenbundes, der Towns of Planets,
an diesem schönen Septemberabend zu genießen. Li wandte sich ihm wieder
verlangend zu und als die Küsse immer leidenschaftlicher wurden und sie ihm
verheißungsvoll zuflüsterte, ob sie zu ihr fahren würden, stimmte er nur zu
gerne zu.
Während der anschließenden Fahrt zu ihr in
autonom fahrenden Autos, die dank den magnetischen Fahrbahnen über dem Boden
schwebten, hielt Röttger sie ergriffen im Arm, dankbar für diesen Anstoß aus
einer vergangenen Zeit. Hätte er sich ohne diesen Widerhall aufgerafft?
Vielleicht, aber vermutlich erst sehr viel später, machte er sich klar.
Allerdings wäre es dann möglich gewesen, dass sie sich längst für einen
anderen Partner entschieden hatte.
Was auch immer dort passiert war in jenen Monaten im Wilden Westen, es hatte
sie zueinander geführt und ihre Gefühle hatten anscheinend ein zeitloses Echo
geworfen.
In den nächsten Tagen befragten sie die
anderen MItglieder, Andrey Pawlow, Finn Schwarz und Marcel Durrand, die auch bei der Mission
dabei gewesen waren. Aber die konnten nichts vermelden. Sie diskutierten das
Phänomen als kleine Gruppe untereinander und hielten fest, dass sie beide als
einzige Wahrnehmungen gehabt hatten, die wohl in ihrer starken, persönlichen
Zuneigung begründet lagen. Röttger entschied, diese Information an die KI GOLEM
weiterzugeben. Obwohl die Entscheidung getroffen worden war, in den nächsten
300 Jahren keine Zeitreisen mehr zu unternehmen, konnte diese Erfahrung
vielleicht irgendwann einmal wieder von Nutzen sein.