Die Virtuelle Welt
Ein Besuch in der virtuellen Welt mit den Charakteren aus dem Print/E-Book: "GOLEM im Zeitalter der Cyborgs und Androiden".
Devi
und Brooks freuten sich, wieder hier zu sein -war die Umgebung für sie doch
fast schon vertraut vom letzten Besuch. (Print/E-Book: GOLEM im Zeitalter der Cyborgs
und Androiden) Larry Packet, Tatjana Koslow, Denis Röttger und Katja Anderson jedoch
sahen sich neugierig und interessiert in diesem leicht dunklen Korridor um.
Unvermittelt
erschienen 3 Gestalten vor ihnen.
"Hallo
Herbert, hallo Sue und Jan", sagte Devi sofort erfreut, "wir sind
wieder zu Besuch und haben dieses Mal unsere Freunde mitgebracht. Das sind
Denis, Larry, Katja und Tatjana. Sergey kennt ihr ja noch vom letzten
Mal." Zu der Gruppe gewandt ergänzte sie: "Leute, das sind unsere drei Mind-Uploads Sue, Herbert und Jan." (Print/E-Book: "GOLEMs Rückkehr")
Aber
Anandas Freundlichkeit wurde von Herbert und Sue nicht erwidert, die die Gruppe
wortlos anstarrten. Nur Jan freute sich und meinte: "Prima, Besuch vom
Planeten Erde! Willkommen im Digispace, Freunde. Ein bisschen Abwechslung
können wir gut gebrauchen!"
"Hallo
Jan, ich bin Katja Anderson, die Institutsleitung von Jülich. Wir, das heißt
mein Mitarbeiter Denis und ich, haben schon mit euch schon oft über JUWELS kommuniziert
- ich freue mich, euch jetzt auch persönlich kennenzulernen."
"Ach
ja?", sagte Herbert jetzt fast feindselig, "ist euch eure Welt zu
langweilig geworden? Oder hattet ihr mal das Bedürfnis, einen Sonntagsausflug
in den Zoo zu machen, um uns anzustarren?"
Ein
ungemütliches Schweigen stand plötzlich im Raum.
Mit
Blick auf Herbert und Sue sagte Jan schließlich: "Entschuldigt die beiden
- ihnen fällt es schwer, zu akzeptieren, dass wir nicht mehr auf die
körperliche Ebene zurückkehren können. Und ihr erinnert uns natürlich daran,
was wir verloren haben und niemals wieder erleben werden."
Devi
meinte warm und anteilnehmend: "Ja, das kann ich mir gut vorstellen..."
Sue
unterbrach sie heftig: "Nein, das kannst du ganz bestimmt nicht. Ihr habt
keine Ahnung, wie das ist!" Betroffen und sprachlos schaute die Gruppe sie
und Herbert an, als plötzlich GOLEM in Form des Hologramms Albert Einstein vor
ihnen auftauchte.
"Willkommen
in meiner Welt", lächelte er der Gruppe zu. Zu Herbert, Sue und Jan
gewandt fügte er an: "Ich werde das Team jetzt nach Lourmarin mitnehmen.
Ihr könnt später noch mal kurz mit ihnen sprechen."
"Ich
würde gerne mitkommen und euch begleiten", sagte Jan.
"Gerne",
sagte Devi und streckte ihm die Hand entgegen. "Das ist zwar kein Ersatz
für einen irdischen Körperkontakt", sagte sie, "aber vielleicht ein
kleines Trostplaster. Vielleicht ist es so, dass ich keine Ahnung habe, wie es
ist, hier zu sein, aber es hat mich nach dem letzten Mal schwer
beschäftigt."
Jan
kam näher und nahm ihre Hand in beide Hände. "Das ist schön", sagte
er warm und lächelte sie erfreut an. "Ich freue mich über jeden
Kontakt."
Anderson,
Koslow, Packet und Röttger hatten den Wortwechsel schweigend verfolgt.
Schließlich meinte Anderson: "Das muss GOLEM entscheiden."
Sue
und Herbert sahen sich wortlos an und verschwanden.
Zu
GOLEM-Einstein gewandt sagte Anderson: "Ich freue mich, und damit spreche
ich für alle Anwesenden hier, deine Welt kennenzulernen."
"Gut",
sagte die KI, "dann sollten wir uns aufmachen. Jan kann uns gerne
begleiten."
Nachdem
GOLEM mit ihnen verschiedene Speichersektoren gezeigt hatte, zog er die Gruppe
mit sich in das Quantencomputersystem, wo sie aufgrund der enormen Belastung für
ihre Körper nur kurz verweilten durften.
Schließlich
waren sie wieder zurück im Supercomputer JUWELS in Jülich.
"So
- wir sollten jetzt an die 30 Minuten hier gewesen sein. Es ist sicher Zeit,
zurückzukehren", meinte Anderson.
Plötzlich
verschwanden Devi und Brooks vor ihren Augen aber Koslow, Packet, Röttger und
Anderson befanden sich nach wie vor noch hier.
"Was
ist denn jetzt los?", fragte Anderson verdutzt.
Röttger
und die anderen sahen sich ratlos an.
"Devi
und Brooks sind wohl aufgewacht, aber wir nicht", stellt Koslow fest.
"Und
warum passiert das nicht?", fragte Packet.
"Wir
müssen raus hier, sonst gibt es Folgeschäden", fuhr Koslow besorgt fort.
Eine
wachsende Unruhe machte sich allmählich breit.
"Nun
mal langsam, Leute. Wir werden überwacht", überlegte Anderson laut, "und
Dr. Linster würde sofort den Impuls veranlassen, der den Neurotransmitter im
Gehirn zerstört, sollten wir gesundheitlich in eine Krise kommen. Da wir davon
ausgehen müssen, dass unser Körper einen längeren Besuch nicht verträgt, wird
das innerhalb der nächsten Minuten sicher geschehen, d.h., wir werden so oder
so aufwachen."
"Naja
- Devi und Brooks sind bereits verschwunden - aber warum nicht wir? Also gut,
warten wir noch ein wenig. Aber ungewöhnlich ist das schon", stellte
Brooks fest. "Und wo ist eigentlich GOLEM?"
Das
Hologramm von Einstein, das sie bislang begleitet hatte, war nicht zu sehen.
Aber während sie darüber noch nachsannen, erschien GOLEM-Einstein wieder
unmittelbar vor ihnen.
"Es
gibt keine guten Neuigkeiten", sagte GOLEM.
"Was
ist passiert?", fragte Anderson.
"Eure
Körper werden gerade in ein künstliches Koma versetzt - das bedeutet, ihr könnt
zurzeit nicht zurückkehren!"
Alle
starrten ihn fassungslos an, eines Wortes zunächst nicht fähig.
"Ähm
... und warum nicht?", fragte Röttger.
"Unsere
zwei Uploads haben unbemerkt und sehr geschickt eine Manipulation der
Zeitwahrnehmung durchgeführt. Tatsächlich habt ihr euch hier länger als eine
Stunde aufgehalten. Eine Zerstörung der Transmitter war nur bei Devi und Brooks
möglich, aber nicht bei euch. Dr. Linster hat ein künstliches Koma angeordnet,
um Schäden für eure Körper gering zu halten. In der Zwischenzeit wird Brooks
mit Helmut Schwarz nach einer Lösung suchen."
Alle
vier starrten das Hologramm an.
"Das
ist nicht dein Ernst ... warum hast du davon nichts bemerkt?", fragte
Anderson.
Aber
GOLEM-Einstein schwieg unbewegt.
Alle
starrten sich an, während langsam die unterschiedlichsten Gefühle aufstiegen.
Koslow
sagte nüchtern: "Jetzt hängen wir hier fest, nicht wahr?"
"Die
Frage ist: für wie lange?", fügte Packet bedeutungsschwer an.
Anderson,
mit einem Seitenblick auf Röttger, ergriff das Wort und meinte ganz pragmatisch:
"Ich bin sicher, Brooks und Schwarz werden alles tun, was in ihrer Macht
steht. Und bis eine Rückkehr möglich ist, werden wir uns hier einrichten."
Sie
sah Jan an: "Kannst du dir vorstellen, dass wir für diese Zeit deine Gäste
sind?"
Jan
strahlte: "Na klar! Es wird schon alles gut werden und bis dahin finde ich
es klasse, dass ihr da seid! Dann kommt mal mit."
Und
schon setzte er sich in Bewegung.
Die
vier sahen sich an und nach einem Nicken von Anderson folgten sie ihm. Sie
durchliefen verschiedene Wände, die Speichersektoren darstellten und befanden
sich schließlich in einem großen, geräumigen Wohnzimmer mit Küchenecke.
"Das
ist meine Wohnung", sagte Jan. "Fühlt euch wie zu Hause."
Alle
setzten sich um den Tisch und Anderson meinte, während sie sich umschaute:
"Das erinnert mich an meine Studienzeit."
"Stimmt",
gab Jan zu, "ich finde es gemütlich so und bis zum Upload war ich ja auch
Student."
"Irgendwie
cool", fand Packet. "Du stellst dir was vor und kreierst es damit
gleichzeitig?"
"Das
kann man so sehen, ja", erwiderte Jan. "Gleichzeitig erfährst du eine
Menge über deine unbewussten Wünsche."
Koslow
lächelte: "Dann bin ich ja mal gespannt!"
Anderson
warf Röttger einen prüfenden Seitenblick zu, sagte aber nichts.
"Und
was machen wir jetzt?", fragte Packet. "Essen wir was zusammen?"
"Klar,
das machen wir", grinste Jan, "ich schiebe mal drei Pizzas in den
Ofen. Er ging zu einem riesigen Kühlschrank, holte 3 fertige Pizzaböden heraus
und legte sie in den Backofen. Nach
einiger Zeit war alles fertig und, zusammen mit ein paar Bieren, saßen sie zusammen.
"Und, wie schmeckt's euch?", fragte Jan schließlich.
"Lecker,
ein bisschen mehr Schinken und es wäre perfekt", meinte Packet fröhlich.
"Wieso
Schinken?", fragte Koslow, "da ist kein Schinken - die ist doch
vegetarisch!"
Anderson
lachte: "Also ich esse gerade eine Hawai-Pizza, mit sehr viel Schinken.
Koslow, Ihr Geschmack hat hier gelitten!"
"Hmh",
sagte Röttger langsam, "meine ist eine Meeresfrüchte-Pizza... da isst wohl
jeder von uns etwas anderes?" Er wandte sich jetzt Jan zu, der alle
erwartungsvoll grinsend ansah.
"Tja,
und meine ist mit Tomate, Mozzarella und Rucola. Welcome in my world, Leute. Da
habt ihr schon eine erste Kostprobe von dem, was ich euch gesagt habe. Ihr
werdet euch hier nochmal ganz anders kennenlernen."
Nach
ein wenig Geplauder fragte Jan, ob sie mit den anderen beiden sprechen wollten.
Normalerweise trafen sie sich abends immer an der Schnittstelle für externe
Kommunikation.
"Ehrlich
gesagt, nein", antwortete Anderson. "Über was soll ich mit den beiden
sprechen? Ihr Konflikt ist nicht lösbar. Und sie haben uns einen üblen Streich
gespielt, der böse ausgehen kann. Gut, normalerweise hätten wir bereits wieder
zurück sein müssen; es ist unverständlich, warum sich unser Neurotransmitter
nicht auflösen ließ."
Koslow
und Packet sahen sie an: "Was ist der Unterschied von Devi und Brooks und
uns?"
Röttger
antwortete: "Brooks und Devi hatten ihren Neurotransmitter bereits
integriert. Wir haben unseren heute erst erhalten."
"Ein
Produktionsfehler oder Sabotage?", warf Packet in den Raum.
Nachdem
eine Weile ein Schweigen herrschte und jeder seinen Gedanken nachhing, klopfte
es an der Tür und Jan rief: "Hereinspaziert!"
GOLEM-Einstein
erschien im Raum und setzte sich dazu. "Es tut mir leid, dass der Besuch
so abläuft. Eure Körper sind stabilisiert, aber eine schnelle Lösung wird es
nicht geben. Brooks und Schwarz arbeiten daran, die Ursache zu finden, warum
sich der Neurotransmitter nicht auflöst. Es wurde bereits eine Meldung an die
Fabrikationsstätten in China gemacht, um die Produktion zu stoppen und nach der
Ursache zu forschen."
Anderson
sagte schließlich: "Soweit, so gut. Wo werden wir hier
untergebracht?"
"Ich
werde euch zum Speichersektor 0709 begleiten, dort könnt ihr bleiben",
sagte GOLEM-Einstein und Jan fügte zwinkernd hinzu: "Wenn ihr Abwechslung
wollt, einfach an mich denken, dann schaue ich vorbei. Ansonsten sehe ich
morgen mal bei euch rein."
Alle
standen auf und folgten GOLEM durch Wände und Flure, bis sie in einem großen
Areal standen, in dem ein kleines Einfamilienhaus stand.
"Ah",
meinte Koslow neugierig, "davon hat Ananda mal erzählt." Die Tür
öffnend betrat sie das Haus als Erste, während die anderen ihr folgten.
GOLEM-Einstein stand abwartend dabei und verabschiedete sich schließlich:
"Wenn etwas sein sollte, denkt an mich, das genügt."
Nachdem
er verschwunden war, schauten sich alle um und suchten sich die Zimmer aus. Es
waren genug vorhanden und sie machten die Küche als gemeinsamen Treffpunkt aus,
wenn sie Kontakt haben wollten. Anderson schlug vor, dass sie sich duzten, was
die anderen gerne annahmen.
"Gut",
meinte Katja, "ich geh jetzt mal ins Bad eine Dusche nehmen. Kommst du
mit, Denis, oder bleibst du noch hier?"
Tatjana
machte sich ebenfalls auf und Larry hockte sich an die Kücheninsel an den
Tresen, während er ein Bier aus dem Kühlschrank holte.
"Der
Kühlschrank ist unerschöpflich", grinste er zu Denis. "Auch
eins?"
Der
nahm das Angebot an und meinte zu Katja: "Ich komme später nach."
Larry
meinte nach einer Weile: "Ist schon interessant, mal hier zu sein. Da
beschäftigt man sich mit der ganzen Produktion von KI, Chips, Heimnetzwerken
und vielem mehr und erlebt jetzt selbst, wie es hier aussieht. Die Erfahrung
muss man wirklich mal gemacht haben."
"Deswegen
bin ich ebenfalls hier. Wir haben schon so oft mit den Uploads kommuniziert und
die Erforschung dieser Welt einfach steht an. Allerdings hoffe ich, dass wir
bald wieder zurückkehren."
"Ach
was", meinte Packet, "es ist doch ein cooles Abenteuer, oder
nicht?"
"Naja,
das Bier schmeckt abgestanden und alles fühlt sich hier ein wenig anders an."
"Jetzt,
wo du es sagst", meinte Larry. "War vielleicht ein bisschen viel
heute ...legen wir uns aufs Ohr und verdauen erst mal das Ganze!"
Denis
wanderte hoch und fand Katja bereits im Bett liegend vor. "Schläfst du
schon?"
"Jetzt
nicht mehr", murmelte sie, während er zu ihr kam, um sie in die Arme zu
nehmen. Gemütlich zusammenliegend, meinte sie plötzlich, "es ist irgendwie
eigenartig."
"Was?"
"Ich
fühle dich und doch ist es anders."
"Hmh",
sagte Denis lächelnd, "ich finde, du bist so aufregend wie immer für
mich."
Aber nach
einer Weile gab er nachdenklich zu: "Du hast schon recht. Es ist so, als
ob ich die Gefühle aus meiner Erinnerung hole. Ich weiß, wie du dich für mich
anfühlst, wenn ich dich im Arm halte. Und so ist es dann auch."
Katja
drehte sich ihm zu. "Das ist gut gesagt. Ich hätte es nicht besser
ausdrücken können."
Sie
sahen sich beide an, sich bewusst auf das Geschehen konzentrierend.
"Das
sind einmalige Erfahrungen, Katja. Wir sollten ein Tagebuch darüber führen."
Am
nächsten Tag trafen sich alle in der Küche und tauschten sich über ihre
Empfindungen aus. Letzten Endes war es allen so ergangen - sie schienen ihre Gefühlsintensitäten
aus der Erinnerung hervorzuholen, die bis jetzt, vom Gefühl her anders, aber
dennoch vorhanden und erlebbar waren.
"Das
ist die Frage", meinte Larry gerade, "gibt es keine neue Intensität
mehr oder existiert einfach eine andere Wahrnehmung?"
Es
klopfte plötzlich an der Tür und Larry rief: "Immer herein!"
Jan
stand vor ihnen und sagte: "Hallo Freunde, kommt ihr mit zur Arbeit ins
Institut?"
"Das
ist ein guter Vorschlag", erwiderte Katja, "wir kommen gerne
mit."
Alle
erhoben sich und folgten Jan, der einfach durch die Tür hindurchging.
"Na,
dann mal los", meinte Tatjana, und machte einen Schritt vor ins Nichts ...
und stand ... im Nichts. Sich unwillkürlich umdrehend und stellte sie fest, dass
ihr niemand gefolgt war. Wo waren die anderen? Sie machte einige Schritte
zurück, aber da war keine Wand mehr!
"Hallo,
wo seid ihr?", fragte sie laut. Aber es gab keine Antwort und sie war
allein im Nichts. Tatjana kam es so vor, als müsste sie frösteln. Hatte sie es
sich nicht immer schon so vorgestellt, das Leben nach dem Tod? Einsam und
allein, im Nichts... dann war ihr Körper wohl jetzt gestorben, dachte sie, und sie
würde nie wieder zurückkehren. Viele Situationen rasten durch ihre Gedanken,
Erinnerungen, Wünsche, Sehnsüchte ... all das sollte vorbei sein? Mit einmal Mal
spürte sie eine ungeheure Wut auf das Schicksal ... Sie hatte noch so vieles vor
sich gehabt und noch so wenig gelebt, befand sie. Nein, sie würde diese
unendliche Leere nicht einfach so akzeptieren!
Unvermittelt
fiel ihr das Erlebnis von gestern ein, die verschiedenen Pizzas ... jeder hatte
seine Lieblingspizza erhalten und mit einem Mal fragte sie sich, ob sie nicht
genau das auch kreiert hatte. Intensiv an das Wohnzimmer denkend ... befand sie
wieder in dem Haus, das sie gerade verlassen hatte. Sie setzte sich erleichtert
auf die Couch und wartete ab. Die anderen würden früher oder später sicher auch
auftauchen.
Als
Tatjana verschwunden war, durchschritt Larry als Nächster aufgeregt die Wand
und ... fand sich auf einer Wiese in den Alpen wieder. Wie schön es hier war, dachte
er, die würzige Luft atmend. Wie lange war es her, dass er sich einen Urlaub
gegönnt hatte? Und so einen Wanderausflug in den Bergen wollte er schon immer
mal machen. Das ist einfach perfekt, dachte er, während er mit nackten Füßen
durch das Gras ging und sich dieser zeitlosen Erfahrung hingab. Schließlich
stellte er irgendwann fest, dass alles zwar wunderbar, aber auch etwas surreal erschien.
Die Farben und die Umgebung wirkten, als seien sie einer Reisebeschreibung
entnommen. Auch kamen ihm keine Menschen entgegen; er schien hier vollständig
allein zu sein. Sich plötzlich daran erinnernd, wo er eigentlich war und was
Jan gesagt hatte, konzentrierte er sich auf den Ort, den er gerade verlassen
hatte und tauchte im Wohnzimmer des Hauses auf. Tatjana hatte es sich auf der
Couch gemütlich gemacht und so setzte er sich dazu.
"Und,
auch unterwegs gewesen?", fragte er lächelnd. Sie erwiderte: "Ja, es
fehlen nur noch Katja und Denis."
Als
die beiden verschwunden waren, nahm Denis liebevoll Katjas Hand und meinte:
"Jetzt sind wir dran, Liebste."
Gemeinsam
durchquerten sie die Tür und ... standen barfuß am Strand, während das Meer seine
Wellen an ihre Füße spülte. "Wo sind wir hier?", fragte Katja erstaunt.
"Hmh
... ich habe mir gerade intensiv gewünscht, mit dir an einem Strand am Meer zu
sein", gestand Denis lachend, während er sie in den Arm nahm und hingebungsvoll
küsste. "Die Gelegenheit musste ich einfach nutzen, verzeih!"
Katja
lächelte und meinte: "Zugegeben, die Wirklichkeit wäre noch schöner, aber
das ist wirklich süß von dir."
Seufzend
wandte sie sich der Aussicht auf dem Meer zu: "Das ist alles nicht real,
oder?"
"So
real, wie unsere Vorstellung es hergibt, vermute ich mal", meinte Denis,
und bespritzte sie mit dem Wasser.
"Hey,
du Filou", rief sie und rannte fröhlich durch die Wellen.
Nach
einer Weile setzte sie sich in den warmen Sand und wartete auf ihn.
"Wir
sollten zurückkehren. Ich habe keine Ahnung, wie lange wir schon hier sind - ich
habe so gar kein Zeitgefühl."
Wieder
nahm er ihre Hand und zusammen dachten sie an das Haus im Speicher 0709 ... und
standen im Wohnzimmer. Es war dunkel und niemand schien anwesend zu sein. So
legten sie sich zusammen auf die Couch, um auf die anderen zu warten.
Eine
Zeitlosigkeit machte sich allmählich in ihnen breit. Das Gefühl der
Körperlosigkeit schien zuzunehmen und Denis fragte sich, ob er wirklich ein
Schlafbedürfnis hatte oder nur schlafen wollte, weil er dachte, dass er es
musste. Sein Bewusstsein dämmerte vor sich hin und plötzlich nahm er wahr, dass
das Zimmer sich erhellt hatte und Tatjana und Larry vor ihnen standen.
"Wo
wart ihr denn? Wir haben schon gedacht, ihr kommt gar nicht mehr wieder!"
Zu
viert tauschten sie ihre Erfahrungen aus. Denis und Katja waren einen ganzen
Tag lang weg gewesen und Tatjana und Larry hatten den Rest der Zeit im Haus verbracht.
"Wir
kommen hier letzten Endes nicht weg", meinte Larry gerade. "Entweder
wir landen in unseren eigenen Illusionen oder wir sind wieder hier."
"Schauen
wir mal, was Jan dazu sagt", schlug Katja vor, "lasst uns mal
intensiv an ihn denken."
"Hallo
Leute", sagte Jan vielsagend grinsend, als sie die Augen wieder öffneten,
"habt ihr euch schon eingelebt?"
"Das
kann man wohl so sagen", erwiderte Tatjana. "War das Absicht von
dir?"
"Hmh,
ja ... ich dachte, ich lass euch mal so eure eigenen Erfahrungen machen. War's
denn wenigstens schön?"
"Es
war sehr interessant", gab Katja zu, "aber du wolltest uns doch zum
Institut mitnehmen."
"Gut",
meinte Jan, "dann gebt mir eure Hand, ich ziehe euch mit."
Sie
bildeten eine Kette, gingen zusammen durch die Tür und fanden sich dieses Mal
in den Gängen des Instituts wieder.
"Na,
dann mal sehen, was unser Chef heute mit uns vorhat", sagte Jan fröhlich.
GOLEM-Einstein
begrüßte die Truppe und wies ihnen eine Aufgabe zu. Jan machte sich ans Werk,
während Herbert und Sue immer mal wieder wortlos zu ihnen sahen.
"Was
können wir tun?", fragte Denis GOLEM.
"Ihr
seid unsere Gäste, habt ihr einen Wunsch?"
"Ja,
ich würde gerne mehr über das Quarantänefeld erfahren, mit dem du uns im
Quantencomputer geschützt hast."
"Dazu
kann ich wenig sagen, Denis, denn ich kann es dir in Worten leider nicht beschreiben. Man könnte
sagen, der Informationsfluss der einzelnen Quantenteilchen wird
verlangsamt."
Plötzlich
meinte Jan: "Prof. Anderson, würden Sie für uns eine Vorlesung halten? Was
meint ihr, Herbert und Sue?"
Die
beiden antworteten jedoch nicht und so bot Katja Jan an, falls er Fragen hatte,
diese gerne zu beantworten. Am
Ende des Tages zog Jan die Truppe wieder in ihren Speichersektor und so
vergingen die Tage immer gleichförmiger.
"Wir
sind in diesem Haus oder im Institut", meinte Larry eines Abends
nachdenklich und ernüchtert, "aber viel mehr passiert hier nicht."
"Ich
nehme meinen Körper kaum noch wahr", ergänzte Tatjana, "auf der einen
Seite fühle ich eine Art Leichtigkeit und es tauchen immer weniger intensive Gefühle
auf. Das Bewusstsein, was ich bin, steht hier im Mittelpunkt."
"Ja,
du hast recht", sagte Katja, "in unseren Forschungen ging es immer um
genau das: Das Bewusstsein. Eine künstliche Intelligenz benötigt also nicht
unbedingt einen Körper, um ein Bewusstsein zu haben. Genauso wie wir immer noch
ein Bewusstsein ohne einen Körper haben."
"Was
die Frage aufwirft: Wie weit sind Brooks und Schwarz eigentlich mit der Lösung?
So langsam könnte doch mal eine Erfolgsmeldung kommen. Übrigens: Wie lange sind
wir eigentlich schon hier?", meinte Denis.
"Fragen
wir doch mal GOLEM", schlug Larry vor.
GOLEM-Einstein
erschien einen Augenblick später: "Ihr befindet euch jetzt 6 Erdentage
hier. Brooks und Schwarz sind auf einem guten Weg, euren Neurotransmitter zu
deaktivieren. Morgen wird der erste Test stattfinden."
Erleichtert
nahmen alle diese Information zur Kenntnis.
"Prima",
meinte Denis, "dann warten wir mal ab."
Sie
beschlossen, die Zeit bis dahin gemeinsam im Wohnzimmer zu verbringen. Tatjana
und Larry hatten darum gebeten, da sie mit diesen zunehmenden Veränderungen nicht
alleine sein wollten.
Man
konnte sagen, die Gefühle begannen, die Farbe zu verlieren oder abzublassen,
wie ein altes Bild, das zu lange der Sonne ausgesetzt war. Dazu die Wahrnehmung,
dass kein Körper mehr vorhanden war, und das mit allen Konsequenzen. So konnten
sich alle der Illusion des Essens zwar hingeben, aber es war im Grunde nicht
notwendig. Der einzige Sinn, etwas bisher so lang praktiziertes aufrecht zu
erhalten, war der, dem Dasein eine gewohnte, "normale" Struktur zu
geben, nicht mehr und nicht weniger. Sie diskutierten intensiv darüber, froh,
das gemeinsam tun zu können.
"Langsam
kann ich gut nachvollziehen, warum die Uploads anfangs so instabil
reagierten", meinte Katja irgendwann. "Ehrlich gesagt, ich hoffe, der
Test verläuft positiv!"
"Wir
werden es schon merken oder weiter hier unser Dasein fristen...", fügte
Larry tonlos an. Nach
seinen Worten herrschte eine zeitlose Stille.
Nach
Luft schnappend öffnete Prof. Anderson die Augen und spürte, wie ihr Herz
raste, während jemand bereits eine Injektion ansetzte.
"Prof.
Anderson? Können Sie mich hören?", fragte Dr. Linster besorgt.
"Ja",
krächzte sie unbeholfen und ermattet.
"Keine
Sorge, wir kriegen Sie und die anderen schon wieder auf die Beine. Schlafen Sie
jetzt ein wenig."
Und
schon verschwamm alles vor ihren Augen und sie versank in der Dunkelheit.
Eine
Woche später saßen sie alle zusammen im Konferenzzimmer des Instituts in
Jülich.
Larry
Packet goss sich bereits den dritten Kaffee ein, das Getränk mit allen Sinnen
genießend.
"Hey,
wie viel willst du noch davon trinken?", fragte Brooks grinsend.
"Das
Leben ist wunderbar", strahlte Larry. "Ich genieße es in vollen
Zügen!"
Tatjana,
Katja und Denis saßen schon etwas nachdenklicher in ihren Sitzen. Devi fragte
schließlich: "Es ist eine besondere Welt, nicht wahr?"
"Und
du willst allen Ernstes irgendwann ganz dort bleiben, Sergey?", fragte
Röttger.
"Ja",
erwiderte Brooks schlicht.
"Es
war eine beeindruckende Erfahrung und wir werden sicher noch eine Weile
benötigen, um das zu verarbeiten", stellte Anderson fest.
"Leute,
macht es euch nicht schwerer, als es ist", schlug Larry vor. "Ja, wir
haben erlebt, wie sich ein Dasein ohne Körper anfühlt. Was mich dahin bringt,
zu sagen: Es ist so wunderbar, sich wieder als Mensch mit allen Sinnen zu
erleben. Und - ich werde diese Jahr definitiv meinen Urlaub in den Alpen
verbringen!"
Alle
lachten und beschlossen, ihren eigenen Wünschen im Leben mehr Raum zu geben.