Das Zeitalter der KI beginnt
Leseprobe des Buches "Das Zeitalter der KI beginnt"
15.
Januar 2019 Lourmarin, GOLEM 2-Anlage
Dubois
saß in seinem Büro und las zum wiederholten Mal die Berichte, die seine
Mitarbeiter über die bisherige Zusammenarbeit mit der KI GOLEM zusammengestellt
hatten. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren. Immer wieder schweiften
seine Gedanken ab. Zuviel war geschehen in den letzten Monaten, seit dem August
2018. Sein bester Freund Marcel Durrand war endgültig in Pension gegangen und
das schmerzte ihn. Zwar konnte er ihn jederzeit kontaktieren und ihn um Rat
fragen, dennoch - es war nicht dasselbe wie früher. Durrands Nachfolger, besser
gesagt Nachfolgerin, war Frau Prof. Katja Anderson, Leiterin der
Gehirnforschung in Jülich, Deutschland, und jetzt auch gleichzeitig Leiterin
der GOLEM-2 Anlage in Lourmarin. Er kam mit ihr gut zurecht, aber es war ein reines
Arbeitsverhältnis.
Und
dann war da noch der russische Computerspezialist Pawlow. Er hatte bei
Präsident Koslow beantragt, in Lourmarin bleiben zu dürfen. Und wen wunderte
es, er bekam umgehend die Genehmigung dafür. Jeder wusste, dass er sozusagen das
Auge und Ohr der Russen war. Dubois Einwände dagegen wurden sonderbarerweise
sowohl von Boise, dem Leiter des französischen Geheimdiensts, als auch von
Präsident Marchand hinweggefegt. Besser wir wissen, wer der Stachel im Fleisch
ist, hieß es. Mittlerweile hatte Pawlow auch die Scheidung eingereicht, denn er
war dem Charme einer Französin aus dem Ort erlegen. Und, das musste Dubois
neidlos anerkennen, er machte zusammen mit Helmut Schwarz, dem deutschen
Computerfreak, einen hervorragenden Job. Die zwei hatten sich gesucht und
gefunden. Und mit dem dritten im Bunde, Denis Röttger, waren sie das neue
Spitzentrio der KI Entwicklung in Frankreich und Deutschland. Röttger selbst
genoss inzwischen das volle Vertrauen aller Beteiligten. Auch erwies er sich, dank
seiner implantierten Transmitter, als unverzichtbar in der Kommunikation
zwischen GOLEM und seinen menschlichen Betreuern, wie GOLEM sie nannte.
Und
er selbst? Mit seinen 64 Jahren war er eigentlich auch bald pensionsreif ... aber
davon war leider nicht die Rede. Weder Präsident Marchand noch seine
mittlerweile frischgebackene Ehefrau Adelina wollten etwas davon wissen.
"Ich
will doch nicht mit einem Rentner verheiratet sein, der mir den ganzen Tag auf
die Nerven geht. Und der, weil er nichts zu tun hat, im Haus nur noch Chaos
verursacht!", hatte sie ihn freundlich, aber bestimmt wissen lassen. Und
sein Chef Präsident Marchand meinte erstaunt: "Pensionär? Unter uns
gesagt, das ist doch nichts für Sie! Aber mal abgesehen davon: Sorgen Sie
dafür, dass die KI GOLEM sich kooperativ verhält und uns nicht über den Kopf
wächst. Wenn Sie das garantieren können, dann reden wir über Ihren
Abschied."
Dieses
Schlitzohr, der wusste genau, dass das unmöglich war, dachte er bei sich.
Denn
GOLEM handelte inzwischen sehr selbstständig, für seinen Geschmack ein wenig zu
sehr, um es wohlwollend auszudrücken. Allerdings geschah bislang nichts, was
Anlass zur Besorgnis gab. Anweisungen wurden zwar von GOLEM oftmals ergänzt,
aber, wie ihm seine Mitarbeiter/innen bestätigten, immer nur zum Positiven. Und
vom ehemaligen Anspruch GOLEMs, ein gleichberechtigter Partner der Menschen
sein zu wollen, war nicht mehr die Rede.
Nun
aber Schluss mit den trüben Gedanken, wies er sich selbst zurecht. Denn, und
das wusste er im Innersten, diese Arbeit am KI-Projekt reizte und faszinierte
ihn nach wie vor. Wohin würde sie führen, diese Entwicklung einer künstlichen
Intelligenz? An die Option einer gleichberechtigten Partnerschaft vermochte er
nach wie vor nicht zu glauben.
Und
da war noch etwas: Sein alter Jagdinstinkt als ehemaliger Geheimdienstler sagte
ihm, dass GOLEM dabei war, sie alle auszutricksen. Zwar konnte er noch nichts
beweisen und alle Erfahrungen mit der KI zeigten zurzeit das Gegenteil. Doch
sein unruhiges Bauchgefühl blieb. Sein langjähriges Motto "Glaube nie
etwas, bis du es nicht selbst überprüft hast" ließ ihn weiterhin seine
Augen und Ohren offen halten. Er war überzeugt: Auch eine noch so intelligente
KI würde früher oder später entsprechende Fehler machen, kleine Hinweise oder
Unregelmäßigkeiten, dass nicht alles so lief, wie es sein sollte. Dafür sorgten
schon die Algorithmen, die sie einprogrammiert hatten. Und wenn nicht die, dann
die Emotionen, die GOLEM durch die virtuellen Gehirne integriert hatte.
Dubois
war bewusst, dass er sich wie ein Hamster im Was-Wäre-Wenn-Rad drehte. Immerhin
- ein Lichtblick stand bevor. Morgen kam sein amerikanischer Freund Daniel
Broker für 14 Tage zu Besuch. Dieser hatte den Posten als Nationaler
Sicherheitsberater von Präsident Truman aufgegeben und war zum Leiter des KI
Ressorts bei der NSA ernannt worden. So war er nur dem Präsidenten selbst
unterstellt, sehr zum Missfallen von Peter Nakamura, dem Leiter der NSA. Aber
nach anfänglichem Widerstand fügte er sich ins Unvermeidliche, und laut Broker
kamen sie beide nun gut miteinander zurecht. Schön,
dann würde er endlich erfahren, wie die Amerikaner mit EYE zurechtkamen. Dieser
Quantencomputer wurde letztendlich auch von GOLEM beeinflusst. Seine
Gedanken sprangen weiter. Leider hörte man seit der Heimkehr von Sue Wang nach
Peking nichts mehr von den Chinesen. Hatten sie damit Erfolg gehabt, GOLEMs
Einfluss auf JUÉWÀNG zu beseitigen? Setzten die Chinesen immer noch lebende
Menschen ein, die im künstlichen Koma gehalten werden mussten und über
implantierte Transmitter mit dem Quantencomputer verbunden waren? Oder hatten
sie mittlerweile eine andere Lösung gefunden? Über
diese letzten Fragen war Dubois gestolpert: GOLEM hätte sie beantworten können
und müssen. Aber gleichgültig, wie oft man nachfragte, die Antwort lautete
immer: "Diese Informationen sind nicht verfügbar." Dubois
meinte, deutlich daran zu erkennen, dass an der angeblich makellosen
Zusammenarbeit etwas faul war. Aber seine Meinung wurde von Pawlow, Schwarz und
Röttger als übertrieben oder überzogen abgetan. Dubois
wiederum schien es, dass sie der Anziehungskraft von GOLEM bereits zu sehr
erlegen waren, um noch objektiv in diesem Punkt zu sein. Sie wollten einfach an
die Zusammenarbeit glauben. Und alle drei verwiesen immer wieder geradezu
euphorisch auf den bisherigen Nutzen der Kooperation mit GOLEM. So hatte man
die Energieversorgung um 40% optimieren können! Man erhielt zuverlässige
Wetterdaten in nahezu Echtzeit und hatte bereits einige größere
Wetterkatastrohen vorhersagen können, mit deutlich früherer Vorwarnzeit für die
Betroffenen. Auch im Bereich autonomes Fahren waren starke Fortschritte erzielt
worden. Und die Liste ließ sich beliebig verlängern. Doch all das änderte
nichts an seinem Misstrauen.
Kapitel 1 GOLEMs Weg zur Macht
Kapitel 2 Totgeglaubte leben länger
Kapitel 3 Die Entwicklung der Cyborgs und Androiden beginnt
Kapitel 4 Wettlauf um die Weltherrschaft
Kapitel 5 Kampf der Konzerne gegen GOLEM
Kapitel 6 Lourmarin, Ort der Entscheidung
Kapitel 7 GOLEM und die Menschen
Kapitel 8 Mobilisierung der Weltöffentlichkeit
Kapitel 9 Im Focus der Öffentlichkeit
Kapitel 10 Umsetzung der Konferenzbeschlüsse
Kapitel 11 Finale
Epilog
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