Boris Iwanow
Charakter in allen Büchern / E-Books der Trilogie "Im Zeitalter der KI"
8. August 2018 - Konkret: Vorgänge zum Buch "GOLEMs Rückkehr"
Boris Iwanow, russischer Oligarch, saß mit einem Wodka in der Hand in seinem Büro an Bord der Romanov 3, seinem Zuhause. Sie war eine schnittige, 80 Meter lange Yacht, die jetzt im Hafen von New York vor Anker lag. Iwanow lenkte sein ganzes Imperium vom Schiff aus und konnte, aus Sicherheitsgründen heraus, stets den Standort wechseln. Die Romanov 3 hatte einen Helikopter an Bord sowie 2 Beiboote mit Jetantrieb. Dazu kam eine Stealth Tarnung, die das Schiff für das Radar nahezu unsichtbar machte, und es war mit Raketenabwehrsystemen der neuesten Bauart bestückt. Der russische Staatspräsident Koslow war Miteigentümer an Iwanows Imperium und wollte natürlich die Kontrolle über seine Machenschaften behalten, daher war die Hochleistungsrechenanlage an Bord immer auch mit dem Kreml verbunden.
Sein Handy klingelte plötzlich und er
erkannte an der Stimme Sergey Brooks, Mitinhaber von Alpha SKY 1, Mutterkonzern
von FIND, die größte Internetsuchmaschine weltweit.
"Boris, hilf mir, ich bin im
Labor von "Deep Mind". Alles läuft schief. Jetzt hör genau zu: Es
gibt einen geheimen Aufzug, mit dem du rein kommst. Und hier ist der Code, damit
du ihn benutzen kannst..." Brooks klang schwach und Iwanow hörte im Hintergrund
entsetzliche Schreie. "Mach so schnell du kannst." Damit war die
Verbindung beendet. Blitzschnell organisierte Iwanow alles
telefonisch. Ein paar Leute, die zu Staatspräsident Koslows russischer
Geheimpolizei gehörten und ein Van für den Krankentransport samt Arzt würden am
Stammsitz von Alpha SKY in Washington bereit stehen. Nach einer Stunde
Hubschrauberflug erreichte er Washington und nach 1,5 Stunden war er endlich vor
Ort. Zusammen mit den Leuten betrat er den Aufzug, der leicht zu finden war,
wenn man es denn wusste. Den Code eingebend waren sie hochgefahren und hatten
das Labor betreten.
Im ersten Moment hätte er am liebsten
schnell wieder kehrtgemacht, so entsetzlich stank es hier nach verbranntem Fleisch.
Einer der Männer musste würgen und dann sahen sie, was die Ursache war: Im
Labor hing ein Mensch auf einer Liege an Kabelsträngen, die, einschließlich des
Kopfes der Person, allesamt schwarz und verschmort waren. Der Körper hatte sich
gequält im Todeskampf aufgebäumt und entsetzt beobachteten sie, wie sich eine
Hand noch leise zu bewegen schien. Aber das war nicht ihre Sache und so schnappten
sie sich Brooks, der zusammengekrümmt in der Ecke lag, und verließen den Raum schnell
wieder. Endlich war Brooks im Van verstaut und sie fuhren los. Er schien
einiges abbekommen zu haben, aber das würde schon wieder, dachte Iwanow.
Nach dem Stadtverkehr nahmen sie Fahrt
in Richtung New York auf. Sie waren kurz vor New York, als der Fahrer plötzlich
aufgeregt rief: "Was machen diese Idioten denn!"
Iwanow schaute auf, realisierend, dass
zwei Autos mit wahnsinniger Geschwindigkeit auf sie zurasten, anscheinend, um ein
Wagenrennen zu veranstalten. Leider befand sich einer davon auf ihrer Fahrbahn.
Sein Fahrer versuchte, dem Kollisionskurs auszuweichen und schrammte an der
Leitplanke entlang und kam danach ins Schleudern. Das Auto wirbelte herum, bis
es endlich zum Stehen kam. Der Van hatte nicht soviel Glück - er durchbrach die
Leitplanke der Autobahn und fiel ca. 10 Meter in die Tiefe, überschlug sich und
blieb auf dem Dach liegen. Sie suchten nach einem Weg, um mit dem Auto so nahe
wie möglich heranzufahren und rannten zum Wagen. Der Fahrer rappelte sich
gerade blutüberströmt heraus. Nach dem Öffnen der festgeklemmten Tür stellte
sich heraus, dass der begleitende Arzt wie durch ein Wunder nur etliche Prellungen
und ein paar kleinere Verletzungen abbekommen hatte.
Brooks aber hatte es übel erwischt,
wenn er denn überhaupt das Ganze überleben würde. Er hatte bewusstlos auf der
Bahre gelegen und diese hatte ihn beim Sturz unter sich begraben, so dass sein
Gesicht zerschmettert schien. Blut rann ihm aus Nase und Ohren, ein Arm schien
mehrfach gebrochen aus und musste abgebunden werden, da anscheinend eine
Arterie verletzt worden war. Aus einem Bein ragte ein Knochen heraus. Brooks
wurde auf einen Rücksitz gelegt und notdürftig verbunden. Währenddessen hatte
ein anderer Mann die Nummernschilder entfernt und den Wagen in Brand gesetzt,
um alle Spuren zu beseitigen. Nach 10 Minuten war alles geschafft und sie
machten, dass sie davon kamen. Nach einer halben Stunde waren sie am Hafen.
Brooks wurde zugedeckt verladen und sofort von einem weiteren Team versorgt,
das Iwanow unterwegs telefonisch zum Schiff geordert hatte. Die Romanov 3 legte
ab und stach in See. Koslow hatte ihm bereits klare Anweisungen gegeben, was er
zu tun hatte. Und so startete sein Hubschrauber mit Brooks und einem Arzt, der
ihn mittlerweile notdürftig stabilisiert hatte, nach dem Erreichen der
12-Meilen-Zone nach Kuba.
Nachdenklich blickte er ihm nach. Ja, Sergey
Brooks hatte hoch hinaus gewollt und nun war er tief gefallen. Trotzdem - er
kannte ihn schon lange und so ein Schicksal wünschte er niemandem. Viel Glück, alter
Partner, rief er ihm in Gedanken nach.
Iwanow ging in die Zentrale zum
Kapitän. Sein nächstes Ziel war Marseille, da Koslow dort am 14. August eine
Konferenz geplant hatte, die mit Staatsgästen auf seinem Boot abgehalten werden
sollte. Daher musste er einen Zahn zulegen.
5. September 2018
Anfang September kehrte er schon wieder nach New York zurück. Marseille war zu der Zeit, wie ganz Süd-Frankreich, touristisch komplett überlaufen, sodass er nach dem Treffen der Staatspräsidenten schon bald wieder abgelegte. Im Hafen von New York angekommen, machte er Termine mit Bauträgern aus, um sich verschiedene Immobilien anzuschauen. Danach würde er entscheiden, ob sich eine Investition lohnen würde.
Iwanow war gerne in New York, einer
quirligen und betriebsamen Großstadt. Der Trump Tower und die 5th Avenue waren
gute Orte, um shoppen zu gehen und Leute zu treffen. Es war ein angenehmer
Spätsommertag und er dachte, es wäre eine gute Sache, Chloé wiederzusehen. So
rief er den Escort Service an, um sie für morgen Abend zu bestellen. Chloé war
eine attraktive, junge Studentin Anfang 20, die in Washington ihren Bachelor in
Psychologie anstrebte und sich auf diese Art etwas dazu verdiente. Wie in allen
Großstädten waren die Mieten hoch und ihr Stipendium reichte nur für das Nötigste.
Er hatte sie schon öfter gebucht und sie war ein nettes Mädchen, das ihn in die
New Yorker Nachtclubs begleitet hatte und mit der man sich auch noch gut
unterhalten konnte.
Iwanow umgab sich gerne mit gut
aussehenden, jungen Damen. Er genoss es, sie mit seinen finanziellen
Möglichkeiten zu beeindrucken und die begeisterten Gesichter zu erleben, wenn
er sie anschließend über Nacht auf seine Yacht einlud. Fast immer ging es über
das, was ausgemacht war, hinaus, je nachdem, was die betreffende Dame zulassen
wollte. Sie erhielt dann zum Abschied ein goodie bag mit üppigem Inhalt, was
automatisch das Ende dieses Kontaktes bedeutete. Das war seine eiserne Regel: War
man einmal miteinander im Bett gewesen, wurde es früher oder später schwierig
und der Spaß hatte ein Ende, da die Damen anfingen, sich Hoffnungen zu machen.
Eine Scheidung hatte ihm genügt und so hatte er entschieden, das Leben in
vollen Zügen ungebunden zu genießen. Chloé jedoch war bisher zurückhaltend
geblieben und er mochte sie; so war sie zurzeit seine Favoritin in New York.
Am nächsten Tag rief die Agentur morgens
an und teilte ihm mit, dass es bedauerlicherweise Chloé nicht möglich sein
würde, zu kommen. Ob er mit Alina als Ersatz einverstanden wäre? Ungehalten
hatte er erwidert, dass er nur Chloé wollte und sonst niemanden. Die Dame
entschuldigte sich wortreich, aber er bestand auf seinem Wunsch, den Preis ins
Astronomische erhöhend, wenn sie ihm dabei behilflich sein wollte. Wozu hatte
man Geld, hatte er insgeheim gedacht, wenn nicht dafür, dass man sich jeden nur
erdenklichen Wunsch erfüllen konnte?
Schließlich hatte sie sich bereit
erklärt, mit Chloé zu sprechen und sich dann umgehend bei ihm zu melden. Nach
einer halben Stunde erhielt er einen weiteren Anruf, in dem sie die Absage
erneuerte. Die Ursache für die Weigerung der ausgesuchten Dame sei familiärer
Natur. Es handelte sich um einen Todesfall, der es ihr unmöglich machen würde,
zu erscheinen.
Iwanow schwieg einen Augenblick. Eigentlich
müsste ihr doch ein wenig Abwechslung willkommen sein, dachte er bei sich und
verlangte: "Teilen sie ihr mit, dass sie mich umgehend anruft. Ich werde
selbst mit ihr reden. Für den Vermittlungserfolg erhalten Sie
selbstverständlich den versprochenen Betrag, wie vorhin besprochen." Nach
10 Minuten meldete sich sein Handy. Er nahm an und sagte erwartungsvoll:
"Chloé?" Gleichzeitig ließ er seine Ortungssysteme laufen, die
herausfinden sollten, wo sie sich befand. Wenn der Prophet nicht zum Berg kam,
würde eben der Berg zum Propheten kommen, dachte er schmunzelnd. Das würde sie
sicher beeindrucken!
"Was fällt Ihnen ein, Druck auf
die Agentur auszuüben, nur weil Sie nicht bekommen, was Sie wollen?",
ertönte eine wütende Stimme.
"Chloé?", fragte er verdutzt.
"Jawohl, in voller Person. Ihr
Benehmen ist das Letzte! Ich werde heute und auch sonst nicht mehr zu Ihnen
kommen, vergessen Sie es."
Ehe er einen Ton sagen konnte, hatte
sie aufgelegt. Nachdem er sich von seiner Verblüffung erholt hatte, wurde er wütend.
Was fiel dieser Zicke ein, ihn so anzuschreien? So umwerfend war sie nun auch wieder
nicht! Er konnte jede haben ... und so brauchte er sich nicht behandeln lassen. Sein
Ortungssystem hatte ihm mittlerweile mitgeteilt, dass ihr Handy sich auf einem
Areal in Staten Island befand. Den Stimmen im Hintergrund nach war sie in einem
Restaurant und - auf der Karte nachschauend - gab es dort nur drei
Möglichkeiten: Angelina's, Deluca's Italian Restaurant oder die South Shore
Grill Bar.
Iwanow schaute auf die Uhr: Es war
12.00 mittags und er hatte sowieso jetzt nichts anderes vor. Es würde sicher amüsant
werden. Mmh, eine Beerdigung? Die war wohl schon vorbei, wenn sie jetzt im
Restaurant saß. Also würde er mit einem entsprechenden Blumenstrauß sein
Beileid bekunden und sich die Sache mal anschauen. Auf diese Art ließ er sich jedenfalls
nicht abservieren.
Gesagt getan. Nach einer halben Stunde
war er vor Ort und klapperte die drei Lokalitäten ab. Und tatsächlich, im
Angelina's fand er sie.
Da das Wetter schön war, hatte man Tische
im Garten aufgebaut. Eine große Gesellschaft war zusammen gekommen; manche
saßen am Tisch, einige holten sich das Essen am Büffet, andere standen an
Tischen und so würde es ein leichtes sein, sich darunter zu mischen. Er positionierte
sich an einem der Stehtische und wartete einfach mal ab, bis sie ihn, sicher
überrascht und hoffentlich doch ein wenig erfreut, bemerken würde. Sie sah
anders aus als sonst: Das blonde Haar hatte sie zum Pferdeschwanz hochgebunden
und ihr Gesicht war, wie immer, nur dezent geschminkt; sie trug ein langes, schwarzes
T-Shirt mit V-Ausschnitt und schwarzem Spitzenbesatz am Saum, eng anliegende
Jeans und ein paar schwarze Boots. Als Schmuck sah er ein paar große runde
Ohrringe und eine recht sportive Uhr am Handgelenk. Sie gefiel ihm in diesem
schlichten Outfit auch, dachte er, sicher nicht so präsentierbar wie sonst,
aber irgendwie natürlicher. Eigentlich betonte es ihre Weiblichkeit noch mehr,
stellte er fest, sie wirkte zart und verletzlich. Plötzlich sah Chloé in seine
Richtung und erstarrte.
Siegesbewusst lächelte er sie an, mit
seinem großen Blumenstrauß aus weißen Rosen winkend. Chloé erhob sich, ging auf
ihn zu und als er ihre Augen sah, dämmerte ihm, dass es wohl nicht ganz so
werden würde, wie er es sich vorgestellt hatte.
"Was fällt Ihnen ein, hierher zu
kommen?", sagte sie leise und wütend.
"Ich dachte, da Sie nicht zu mir
kommen, komme ich mal zur Abwechslung zu Ihnen. Mein Beileid", sagte er und
reichte ihr den Strauß. Sie ignorierte ihn und zischte ihm nur zu:
"Verschwinden Sie! Sie sind hier nicht willkommen."
Sie drehte sich um, um wieder zu
gehen, als sich plötzlich eine ältere Dame näherte und sagte: "Wer ist
denn das, Joanna? Sind Sie auch ein Bekannter meines Mannes?"
Eine Dame, Mitte 50, stand vor ihm und
musterte ihn aufmerksam und was sie sah, gefiel ihr. Warum hatte ihre Nichte
nichts von ihm erzählt? Ein ansprechender Mann, stand vor ihr, ca. 1.80 groß, Bart,
schlank, dunkle Haare, die oben eine leichte Krause hatten, und funkelnde,
braune Augen, die lebenserfahren in die Welt schauten. Er war zwar älter als
sie - sie schätzte ihn auf Ende 30, Anfang 40 - aber wenn Joanna ihn mochte,
dann war sicher nichts gegen ihn einzuwenden.
"Nein", sagte Iwanow
schnell, "aber ich bin ein Freund von Joanna. Ich muss gestehen, dass ich
sie etwas erzürnt habe. Wir sind im Streit auseinander gegangen und das wollte
ich wieder gutmachen." Er lächelte sie treuherzig an, sofort spürend, dass
er in ihr eine Verbündete gefunden hatte.
"Dann seien Sie willkommen, ich
bin Catherine Harding, Mr. ...?" Sie sah ihn fragend an. "Boris
Iwanow", erwiderte er erfreut, ihr die Hand gebend. Mein aufrichtiges Beileid",
sagte er und reichte ihr den Strauß Rosen.
"Das ist wirklich sehr aufmerksam
von Ihnen. Joanna, du bist sehr unhöflich. Warum bietest du unserem Gast keinen
Platz an?" Damit wandte sie sich schmunzelnd ab und überließ das Paar, wie
sie meinte, sich selbst. Sie hatte Joanna sehr gerne, aber schließlich war sie
jung und sollte, ungeachtet vom Tod ihres Mannes, ihr Leben auskosten.
Iwanow hatte das kleine Schauspiel bis
jetzt sehr genossen, aber ein wenig mehr Strafe musste noch sein. Während sie jetzt
etwas ratlos vor ihm stand, legte er einen Arm fest um ihre Hüfte, so dass sie
nicht weglaufen konnte und meinte grinsend: "Wir sollten uns aussprechen,
meinst du nicht, meine entzückende Joanna?"
Sie funkelte ihn wütend an. Ungerührt
beugte er sich zu ihr hinunter, um ihre wunderbaren, einladend vollen Lippen
langsam und genüsslich zu küssen. Überrascht schaute er auf, als sich eine sehnende
Süße in ihm auszubreiten begann. Joanna sah ihn ebenfalls mit großen Augen atemlos
an, ihre Lippen schienen zu zittern und sich leicht zu öffnen. Und so umfing er
sie jetzt mit beiden Armen und versenkte sich in ihre Weichheit und in diese
Süße, die in immer stärkeren Wellen in ihm aufzubranden schien. Iwanow nahm auf
einmal wahr, wie sie anfing, sich gegen ihn zu stemmen, um ihn abzuwehren und
er flüsterte ihr liebkosend ins Ohr: "Oh nein, mein Vögelchen. Ich habe
dich eingefangen und jetzt bist du mein."
Peng ... er taumelte von der Wucht des
Schlages zur Seite, sie jäh loslassend. Joanna stand aufgewühlt vor ihm:
"Verschwinden Sie auf der Stelle, sonst rufe ich die Polizei! Lassen Sie
sich nie wieder blicken!" Gleichzeitig drehte sie sich um und ging in
Richtung ihrer Tante, die ihre aufgelöste Nichte mit einem fragenden Blick in
Empfang nahm. Er entschied, das Fest besser zu verlassen, ehe sich noch eine unangenehme
Situation ergab. Seine Rache für ihren Auftritt hatte er in jedem Fall gehabt.
Auf dem Heimweg stellte er allerdings
ärgerlich fest, dass sich die Genugtuung darüber nicht einstellen wollte. So
steuerte er die 5th Avenue an, um sich dort einen Kaffee im Bluestone Lane zu
gönnen und sich ein bisschen treiben zu lassen. Schließlich rief er die Agentur
an und sagte der Dame, dass er sehr zufrieden gewesen sei mit ihrem Service und
der Betrag, wie heute Morgen vereinbart, bereits unterwegs sei. Allerdings
wünsche er sich für heute Nachmittag, einschließlich des Abends, Alina.
Schließlich hatte er sein Date und war zufrieden. Es wäre ja gelacht, wenn er dieses
Mädchen nicht aus dem Kopf bekam. Letzten Endes waren sie doch alle irgendwie
austauschbar.
Alina war eine freundliche, sanfte
Studentin mit guter Figur, dunklen Haaren und einem reizenden Schmollmund. Er
lud sie zum Shoppen ein und sie suchte sich unter seiner Führung ein teures Kleid
und ein paar exklusive High Heels aus, die sie sofort begeistert trug. Iwanow
ging mit ihr im Central Park spazieren, lud sie in ein exklusives Restaurant
ein und später auch auf seine Yacht. Staunend ließ sie sich von ihm das Schiff
zeigen und so unternahm er mit ihr eine Tour auf dem Meer. Mit dem kleinen
Beiboot fegten sie beide lachend durch die Wellen, gingen schwimmen und später,
als sie im Mondschein neben ihm auf dem Deck saß, neigte er sich zu ihr, um sie
zu küssen. Sie ließ es aufgeregt und erwartungsvoll geschehen und das
Verlangen, das sofort in ihm aufstieg, tat sein übriges. Die Nacht war warm und
seine Crew hatte sich wie immer dezent in ihre Kabinen zurückgezogen. Im
Morgengrauen wachte er auf, Alina schlief neben ihm. Er stellte fest, dass er
sich befriedigt fühlte, aber diese so anziehende Süße, die er mit Joanna
gespürt hatte - die hatte er nicht erlebt. Alina regte sich schlaftrunken neben
ihm und so wandte er sich ihr wieder zu.
Später am Vormittag fuhren sie nach
New York zurück und beim Abschied überreichte er ihr lächelnd eine kleine, reizende
Abendtasche, die einen vierstelligen Betrag an Banknoten und ein teures Parfüm
enthielt. "Oh", meinte sie entzückt, als sie hineinschaute, "das
ist wirklich sehr großzügig." Dann fuhr er sie mit seinem Ferrari zur
nächsten Metro, ihren fragenden Blick ignorierend, als sie ausstieg.
"Alles Gute, Alina", sagte
er und küsste sie zum Abschied. Leicht enttäuscht marschierte sie von dannen.
Die nächsten Tage vertiefte er sich in
Arbeit, sah sich jede Menge Apartments an, kaufte einige, die er für interessant
hielt für sich oder, nach Rückfrage, auch für Koslow.
Es war eine Woche vergangen und
allmählich verlor er die Geduld mit sich selbst. Er hatte sich noch ein Mädchen
kommen lassen und das Resultat war dasselbe. Was ihn früher vollkommen
zufrieden gestellt hatte, schien ihm auf einmal nicht mehr zu genügen. Joanna
ging ihm nicht aus dem Kopf. Zappelte er jetzt etwa am Angelhaken dieser
kleinen, blutjungen Studentin? Er trommelte mit den Fingern auf dem Tisch
herum. Verfluchte Frauen, dachte er ärgerlich, es ging nicht mit ihnen und es
ging auch nicht ohne sie. Aus dem Fenster seiner Yacht auf den Haufen schauend
überlegte er, dass es vermutlich war es das Beste war, er würde den Kelch
leeren, den er sich selbst eingegossen hatte. Früher oder später würde diese verflixte
Anziehung nachlassen und dann hatte er seine alte Freiheit wieder. Gesagt
getan.
Iwanow ließ über das Restaurant die
Adresse der Tante herausfinden und stattete ihr als Erstes, mit einem
Blumenstrauß in der Hand, einen Besuch ab. Sie öffnete ihm erstaunt die Tür:
"Mr. Iwanow, welche Überraschung, aber ... meine Nichte ist nicht
hier."
"Verzeihen Sie die Störung, aber
ich möchte Sie um Unterstützung bitten. Joanna will mich zurzeit nicht sehen
und vielleicht haben Sie einen Tipp für mich?"
"Na, dann kommen Sie mal
herein", meinte sie. Während sie ihm einen Kaffee zubereitete, setzte er
sich mit in die Küche und begann zu erzählen. Dass sie sich unter anderem
Vorzeichen kennengelernt hatten und er sich nun in sie verliebt habe. Vermutlich
hatte ihre Nichte seine Absichten aber missverstanden und deshalb sei er hier.
Catherine Harding sah ihn prüfend an. Joanna hatte ihr die ganze Wahrheit erzählt.
Sie wusste jetzt, dass sie hin und wieder beim Escort Service etwas Geld verdiente,
wo sie diesen Boris kennengelernt hatte. Zunächst hatte sie die Hände über den
Kopf geschlagen, aber ihre Nichte hatte ihr versichert, dass es immer nur ein
reiner Begleitservice gewesen war, der seine Regeln und Grenzen hatte.
Allerdings hatte sie ihr auch erzählt, dass Boris ihr wie ein Playboy vorkam,
der meinte, nur mit dem Finger schnippen zu können, damit ihm die Frauen zu
Füßen lagen. Sie hatte Joanna schweigend angesehen, die mit Tränen in den Augen
dasaß, und ihr sehr wohl angemerkt, dass da noch mehr war.
Nun, das sollen die beiden selber
regeln, dachte sie, aber die private Adresse würde sie ihm nicht geben. So
sagte sie ihm nur, in welcher Universität er sie finden konnte und wünschte ihm
viel Glück.
Iwanow fand heraus, in welchen
Vorlesungen sie sich eingetragen hatte und so stand er zwei Tage später vor dem
Hörsaal und wartete mit einem großen Strauß roter Rosen auf sie. Schließlich
kam sie, wie letzte Woche in Jeans, Boots und einem einfachen, blauen
Sweatshirt mit einigen Büchern unter dem Arm. Als sie ihn mit den roten Rosen
in der Hand da stehen sah, erstarrte sie leicht errötend, um dann wortlos an
ihm vorbeizugehen.
Sofort war er neben ihr: "Joanna,
ich entschuldige mich für mein schlechtes Benehmen!" Sie sah ihn nicht an
und wurde immer schneller: "Lassen Sie mich in Ruhe!"
"Joanna, bitte, jetzt bleib
stehen und schau mich an", sagte er mit einem Anflug von Ärger in der
Stimme und fasste nach ihrem Arm.
"Lass mich sofort los!" Sie funkelte
ihn an und er bemerkte, dass ihr Mund leicht zitterte. Und wieder spürte er
diesen süßen Zug in sich, der ihn die letzte Zeit so unruhig hatte werden
lassen.
"Gut, aber versprich mir, nicht
gleich wieder wegzurennen, einverstanden?"
Sie nickte wortlos und er fuhr fort:
"Gehen wir in ein nettes Café deiner Wahl und unterhalten uns ein wenig.
Mehr möchte ich nicht." Sie wandte sich ab und schweigend
gingen beide zu einem Starbucks Coffeeshop, in dem sie und andere Studenten
sich öfter aufzuhalten schienen. Als sie sich schließlich, mit einem Cappuccino
in der Hand, gegenüber saßen, begann er: "Wirklich, Joanna, ich darf doch
Joanna sagen? Es tut mir leid, wie ich mich benommen habe. Ja, du hattest ganz
recht, ich war aus einem anderen Grund gekommen und hatte nichts anderes
verdient. Das war ein ordentlicher Schlag", er fasste sich grinsend an die
Backe, während sie erneut fein errötete und ihn prüfend betrachtete.
"Aber es ist etwas zwischen uns
passiert, womit ich nicht gerechnet hatte", Iwanow sah sie direkt an,
"denn anscheinend habe ich mich in dich verliebt."
In der darauffolgenden Stille, in der keiner
ein Wort sagte und beide sich anschauten, abwartend, was geschehen würde,
schien alles und nichts möglich zu werden.
Schließlich holte sie tief Luft und
sagte: "Weißt du, Boris, wenn du nicht du wärest, wäre ich jetzt einfach
nur glücklich. Aber ich weiß, wie es bei dir läuft, denn wir Mädels in der
Agentur reden miteinander."
Sie ließ ihr Worte wirken und Iwanow
dachte, verdammt! Dann wusste sie wohl von Alina und von Hélène. Was jetzt? Da
half nichts: Wenn er bei ihr etwas erreichen wollte, dann musste er die Karten
auf den Tisch legen.
"Joanna, ich will ehrlich sein:
Ich habe versucht, dich aus meinem Kopf zu kriegen. Das war der Grund für die
weiteren Dates, nicht mehr und nicht weniger, da will ich gar nichts
beschönigen. Aber es hat nicht funktioniert ... und deshalb bin ich hier."
Iwanow sah sie abwartend an, spürend,
dass er den richtigen Ton getroffen hatte, denn sie wirkte etwas verwirrt und
ratlos.
"Ich weiß nicht recht",
sagte sie auch schon, "ich habe keine Lust, mich auf dich einzulassen und
einen Tag später ein nettes Abendtäschchen in die Hand gedrückt zu bekommen."
Ihr Tonfall wurde entschlossener.
"Gut", sagte er schnell,
"wie wäre es, wenn wir uns erst einmal richtig kennenlernen und alles
andere hintenan stellen? Und mehr nur, wenn und falls du es willst."
Nach einer Weile sagte sie leise: "Damit
bin ich einverstanden."
"Ich freue mich, Joanna",
strahlte er sie an und entspannte sich. Er würde sich dieses Mal für seine
Werbung sehr viel Zeit nehmen, was eine neue Erfahrung für ihn war. "Also,
dann erzähl doch mal. In welcher Vorlesung warst du vorhin?"
So saßen sie noch eine ganze Weile,
bis sie auf die Uhr schaute und meinte, dass ihre nächste Vorlesung beginnen
würde. Sie verabredeten sich für den morgigen Abend, um in einem Restaurant
essen zugehen. Im Laufe der nächsten Wochen nahm er aktiv an ihrem Leben teil und
ließ sie, in Grenzen natürlich, auch in seines schauen. Iwanow begann, sich genauso
zwanglos zu kleiden und tauchte interessiert in ihre Welt ein. Er fand sich auf
Studentenpartys wieder, in Diskussionen über diverse, psychologische Theorien
verstrickt und trank viele Kaffees mit ihr im Starbucks, manchmal auch zusammen
mit ihren Studienkollegen. Er erkannte bald, dass ihr an Luxus nicht soviel
lag, wie er gedacht hatte und es ihr eher auf die Gemütlichkeit und Atmosphäre
ankam. In einem extravaganten Kleid sah er sie eigentlich nur noch, wenn sie
ins Theater gingen oder er mal wieder in einer der Nachtclubs abtanzen wollte
oder er sie extra darum bat. Nach einigen Wochen wagte er es schließlich und
bat sie, für eine Fahrt auf das Meer auf seine Yacht zu kommen, um erst am
Morgen zurückzukehren. Joanna hatte ihn einen Moment lang unergründlich angesehen
und dann, zu seiner Freude, zugestimmt. Es war ein sonniger Tag im späten Oktober,
den sie bei einer kleinen Tour sonnenbadend auf dem Vordeck verbrachten. Später
am Abend saßen beide unter sternenklarem Himmel lange nebeneinander, die
Schönheit der Nacht auf dem Meer genießend. Schließlich holte er eine große
Decke und bat: "Komm zu mir, es ist kalt." Er streckte die Hand aus und
Joanna kam zu ihm, sich an ihn schmiegend, während er sie beide schützend
einhüllte. Iwanow hielt sie im Arm, ihr zärtliche Worte zuflüsternd, und Joanna
zog ihn irgendwann zu sich hinunter, um ihn sehnsüchtig zu küssen. Wie
Verdurstende tranken sie von den Lippen des anderen und als die ersehnte Süße
in immer höher brandenden Wellen über beide hinweg schwappte, trug er sie in
seine Kajüte. Sie zog sich wortlos unter seinen bewundernden Blicken aus und kam,
wie eine Venus, mit leuchtenden Augen auf ihn zu.
Am nächsten Morgen wachte er auf und betrachtete
er sie eine Weile. Er fühlte sich anders als sonst, stellte er schmunzelnd fest:
zufrieden wie eine Katze, die den Sahnetopf erwischt hatte. Sie wachte auf und
kuschelte sich in seine Arme, seinen Blick erwidernd.
"Und", fragte sie
schelmisch, "wo ist jetzt das Abendtäschchen?"
Er lächelte sie hingerissen an.
Schließlich grinste er spitzbübisch: "Das, meine Liebste, bekommst du leider
nicht!" Die Worte, zu denen sie ansetzen
wollte, blieben ungesagt, denn er hatte sich bereits wieder über sie gebeugt.
Ende November 2018 startete Iwanow mit
der Romanow 3 wieder in See, wissend, dass er erst kurz vor Weihnachten wieder
bei ihr sein konnte. Arbeit war eben Arbeit und wenn Staatspräsident Koslow
etwas wollte, dann bekam er es auch.
Sie hatten sich letzte Nacht noch geliebt
und heute Morgen hatte Joanna lange nach dem Abschied am Pier gestanden, bis
die Romanov 3 nur noch ein kleiner Punkt am Horizont war, wie er mit dem
Fernglas beobachtet hatte. Dieses Mädchen war etwas Besonderes, ging ihm durch
den Sinn, und sie wollte kaum etwas von ihm. Genauer gesagt nichts, aber er
hatte sie in den Arm genommen und ihr erklärt, dass sie wenigstens das, was sie
beim Escort Service normalerweise verdient hätte, doch von ihm annehmen sollte.
Denn ihr Stipendium war mager und er wollte nicht, dass sie diese Tätigkeit noch
länger ausübte. Damit hatte sie sich, nach einigen überzeugenden Liebkosungen
seinerseits, schließlich einverstanden erklärt.
Schon nach einigen Tagen begann er,
sie zu vermissen: ihre gemeinsame Leidenschaft, ihre Schönheit, ihre
Natürlichkeit und ihren Stolz... an den langen, einsamen Abenden fielen ihm viele
kleine Szenen mit ihr ein. Er rief sie dann an, einfach nur, um ihre Stimme zu
hören.
Iwanow dachte an jenen Abend im
September, an dem er noch der festen Überzeugung gewesen war, wie schnell er sich
wieder befreit haben würde, wenn er sich nur auf das Abenteuer einließe... Ja,
Joanna hatte ihm am Haken, aber war er unglücklich darüber? Stattdessen sehnte
er sich diesen Stachel im Fleisch auch noch herbei! Verrückte Welt, dachte er,
und goss sich grinsend einen Wodka ein.
Schließlich war er am 20. Dezember 2018 wieder in New York und stand aufgeregt vor ihrer Tür, um sie abzuholen, bis über beide Ohren verliebt wie ein Schuljunge. Joanna warf sich überglücklich in seine Arme und sie hatten nur noch Augen füreinander. Über Weihnachten besuchte er mit ihr ihre Tante und lernte ihre Eltern kennen, sowie den Bruder, die alle in Connecticut lebten. Danach waren sie wieder für sich und, wie sich im Nachhinein herausstellte, wurde sie in dieser Zeit schwanger mit Nikolai, seinem Sohn.
Mitte Januar 2019 ging er auf Tour und
kam erst Ende Februar 2019 wieder zurück. Als Joanna ihm die Nachricht
verkündete, hatte Iwanow sie überrascht angestarrt. Seine Ex-Frau hatte ihm
keine Kinder geboren und so hatte er Joanna voller Freude wie einen Schatz auf
den Armen umhergetragen, ergriffen von dem Glück, das ihm geschenkt wurde.
Natürlich mussten jetzt jede Menge Pläne geschmiedet werden. Eine andere
Wohnung, ein Kindermädchen, sie wollte ja ihr Studium beenden ... bis er merkte,
dass sie immer stiller wurde.
"Was ist los?", er schaute
sie fragend an.
"Und wie geht es jetzt mit uns
weiter, wo das Kind kommt?"
"Genauso wie vorher auch",
hatte er gesagt.
Sie hatte geschwiegen und allmählich
dämmerte es ihm.
"Joanna, du kennst meine
Einstellung zum Thema Heirat. Und daraus habe ich nie ein Geheimnis gemacht,
mein Schatz", dabei nahm er sie fest in den Arm. "Ich liebe dich und
bin überglücklich über unser Kind." Er streichelte sie zärtlich und fragte:
"Was genau ändert sich durch ein Kind für dich? Denn finanziell musst du
dir keinerlei Sorgen machen."
Joanna sagte nach einer Weile:
"Vielleicht ist es die Tradition, dass man eben heiratet, wenn ein Kind
kommt und ich könnte schief angeschaut werden. Oder ich mir im Grunde dann eine
richtige Familie wünsche, und da schien eine Heirat immer dazu zu gehören..."
Sie sah ihn nachdenklich an. Er mochte es, wenn sie so selbstkritisch und klug reflektierte,
was zu ihrer Berufswahl als angehende Psychologin gut passte. Manchmal fiel für
ihn natürlich auch etwas ab, was er sich dann ruhig anhörte und auf sich wirken
ließ. Frauen wollten immer gerne die Männer verändern, aber manches hatte sie ganz
richtig beurteilt. Seine kluge Joanna.
Letzten Endes akzeptierte sie seine
Entscheidung und sie suchten nach einer gemeinsamen Wohnung, groß genug für ein
Kinderzimmer und einem Arbeitszimmer für sie und ihre Studien. Schließlich
fanden sie ein schönes 3-Zimmer-Appartment in der Nähe der 5th Avenue, das er
insgeheim kaufte, denn es war in dieser Lage auch eine gute Investition.
Etwas mehr Überredungskunst schien
nötig, sie zu einem anderen, größeren Auto zu bewegen - sie würde mehr Platz
benötigen, wenn das Kind erst einmal da war.
Es war ihr anzusehen, dass sie sich
damit nicht wohlfühlte und so hatte er es erst einmal gelassen, um später noch
einmal darauf zurückzukommen. Aber als sie plötzlich verkündete, dass sie ihm
für das Apartment Mietgeld bezahlen wollte, hatte er entschieden den Kopf
geschüttelt. Joanna überraschte ihn mal wieder mit ihren Ansichten und nach
einem heftigen Wortwechsel, in dem sie ihm mit funkelnden Augen vorwarf, er
wolle sie wohl in einen goldenen Käfig stecken, hatte er sie sprachlos angestarrt.
On top erklärte sie abschließend, dass sie Wert auf ihre Unabhängigkeit legen
würde. Iwanow war ratlos. War das die Rache, weil sie keinen Ring an den Finger
bekam? Verärgert sagte er ihr das auf den Kopf zu und so hatten sie ihren ersten,
richtigen Streit, bei dem sie wütend sein Schiff verließ und ohne einen Abschiedskuss
davonfuhr. Nachdenklich und aufgewühlt sah er ihr hinterher. War das der Anfang
vom Ende?
Ein paar Tage lang herrschte
Funkstille und dann rief ihn Staatspräsident Koslow Anfang März an. Am 4. März
würde eine Sitzung mit James Beduin, dem Chef von AMAGON, in Washington
stattfinden, an der er teilnehmen sollte. (Print / E-Book "Das Zeitalter der KI
beginnt") So ganz wohl war ihm nicht, sie in dieser Stimmung alleine zu
lassen, aber es musste sein und so legte er ab, ihr eine kurze SMS sendend. Joanna
antwortete, dass eine Pause für sie beide wohl ganz passend wäre und wünschte
ihm eine gute Reise. Iwanow hatte lange auf die Zeilen gestarrt. Er würde sich
für keine Frau mehr zum Narren machen und so sagte er nichts dazu. Wenn es denn
so sein sollte, dann war es eben so.
Ende März 2019
Iwanow hatte sich in Washington viel Zeit
gelassen und auch so einiges erledigt. Die Konferenz mit Beduin lag jetzt ein
paar Wochen zurück und hatte ihn stark beschäftigt. Diese KI GOLEM war ein
kluger Geschäftspartner, wenn sie denn ein Mensch gewesen wäre. Er hätte es
nicht besser machen können. Das Angebot war verlockend und so hatten
schließlich alle Firmenchefs zugestimmt. Er konnte jetzt sogar mit GOLEM direkt
kommunizieren, wenn er wollte.
Nachdenklich saß er in der geräumigen Lounge
im Cockpit seines Schiffes, einen Espresso vor sich, und schaute abwesend auf
den laufenden, großen TV Bildschirm.
Vergangene Woche hatte er sich lustlos
ein Girl vom Escort Service in Washington kommen lassen. Es war eine Augenweide
von einem Mädchen gewesen: lange, lockige, blonde Haare, sehr sexy, große blaue
Augen und eine top Figur. Auf der Straße hatten ihr die Männer reihenweise
nachgesehen und er hatte die übliche Tour gemacht: Einen Einkaufsbummel, bei
der sie sich Sachen aussuchen durfte, ein Essen und eine Einladung auf sein
Boot mit anschließender Übernachtung. Als sie jedoch abends in der Lounge Platz
nahm und ihn erwartungsvoll mit leicht geöffneten Lippen lächelnd anschaute, die
langen Beine in den High Heels übereinander schlagend - hatte er spontan
gegenüber von ihr Platz genommen. Sie hatten sich noch ein wenig unterhalten;
später hatte er sie zu ihrer Kajüte begleitet und ihr eine gute Nacht
gewünscht. Etwas überrascht, dass nichts passierte, hatte sie vor ihm gestanden
und ihn dann verheißungsvoll geküsst. Sie roch gut und er hatte den Kuss im
ersten Impuls auch leidenschaftlich erwidert. Schließlich aber hatte er von ihr
abgelassen und war einfach gegangen. Sicher hätte er gekonnt, wenn er gewollt
hätte, aber außer einem rein sexuellen Verlangen war da nichts, was ihn an
dieser Frau anzog. Iwanow erkannte, dass er es am nächsten Morgen bereut hätte.
Soweit war es also mit ihm gekommen,
stellte er fest, einerseits etwas grummelnd, andererseits ergeben seufzend.
Seine Joanna ... er musste sich eingestehen, dass ihm viel an ihr lag. Aber er verstand
sie einfach nicht. Warum nahm sie nicht an, was er ihr geben wollte? Er griff
zum Hörer und rief Beduin an, der gerade seine Scheidung am Hals hatte, und
verabredete sich mit ihm in einem Café. Vielleicht war er nicht gerade die klügste
Wahl für seine Probleme, aber zu ihm hatte er den besten Draht.
Als sie beide zusammensaßen und er
seine Situation schilderte, meinte Beduin: "Was soll ich dir sagen, alter
Freund? Rede mit ihr."
"Ehrlich gesagt, James, ich weiß
nicht worüber. Sie will mir Miete zahlen, sie will kein anderes Auto und ich
fürchte, sie wird auch sonst so einiges nicht wollen. Ich verstehe diese Frau
nicht. Sie hätte eine Rundum-Versorgung bekommen, aber sie will nicht. Jede
andere hätte doch mit Kusshand zugegriffen, oder?"
"Das mag wohl so sein, denn du umgibst
dich ja auch gerne mit dieser Art von Damen, die den Hals nicht voll genug
kriegen können. Deine Ex-Frau war der gleiche Typ", konnte sich Beduin
nicht verkneifen, zu sagen. Iwanow schaute ihn verärgert an: "Was willst
du denn damit sagen? Und ausgerechnet du, dem gerade die teuerste Scheidung
bevorsteht, die man sich nur denken kann!"
"Ja", gab Beduin zu,
"aber ich habe sie vor meinem Aufstieg geheiratet und wir hatten lange
Jahre eine wirklich gute Zeit. Gut, jetzt gehen wir beide andere Wege, aber es
ist tatsächlich in Ordnung für mich." Er nahm einen Schluck Latte Macchiato
und biss in seinen Donut. "Du weißt gar nicht, Boris, dass es auch anders
sein kann. Und das ist dein Nachteil, du bist viel zu schnell früh reich
geworden. Valerie war immer eine sehr selbstständige und intelligente Frau, die
wusste, was sie wollte. Und in keinem Fall hätte sie sich von mir einfach nur
versorgen lassen. Sie hatte ihre eigenen Ideen und hat auf einem eigenen Beruf
bestanden."
"Mmh ... Joanna studiert noch und
hat in zwei Jahren ihren Bachelor. Sie hat das Zeug für eine gute Psychologin,
da bin ich sicher. Aber das kann sie doch auch alles tun und ich unterstütze
sie gerne darin."
"Boris, sie hat dir deutliche
Hinweise gegeben: Ihr liegt an ihrer Unabhängigkeit und sie will in keinen
goldenen Käfig gesteckt werden. Du willst ihr jetzt alles bezahlen und
ermöglichen und wenn du dich in einem halben Jahr von ihr trennst, ist alles
weg und sie steht auf der Straße. Klar, ich höre dich, eine Heirat wünschst du
dir nicht mehr - aber auf der anderen Seite steht sie dann im Nichts, und das
mit Kind."
Beduin schaute ihn ruhig an. Iwanow
brummte vor sich hin und meinte schließlich: "Und was schlägst du
vor?"
"Gib ihr mehr Sicherheit und gib
ihren Wünschen Raum."
Nach einer Weile äußerte Iwanow
nachdenklich: "Gut, das Apartment könnte ich ihr übertragen zur Geburt des
Kindes. Ich hatte es sowieso schon gekauft, eine schöne Investition in bester
Lage. Dann hat sie etwas, was nur ihr gehört, unabhängig von mir. Aber sie
braucht auch ein größeres Auto. Ich habe da einen SUV gedacht, eine
Kindermädchen und..." Beduin unterbrach ihn lachend: "Ist das wirklich
so kriegsentscheidend? Lass sie das organisieren, was und wie sie es für
notwendig erachtet. Die Wohnung ist eine gute Idee und ich sehe dir an, dass es
nicht so geplant war. Sag ihr, dass du dich an der Hälfte der Kosten
beteiligst, wie auch immer sie sich entscheidet, so wie es jeder normale Vater
auch tun würde, richtig?"
Iwanow sah Beduin an und in ihm
arbeitete es. Wie jeder normale Vater auch ... er ließ den Satz wirken und dachte
daran, dass sie genau das geäußert hatte: Siewünschte sich eine Familie und
keinen souveränen Gönner. Aus dieser Perspektive ergab das, was sie ihm
vorgeworfen hatte, langsam einen Sinn. Er dankte seinem Freund und nachdem sie
noch ein wenig über das Treffen vom 4. März gesprochen hatten, machte er sich
auf den Heimweg.
Ihm wurde bewusst, dass er seit Anfang
März nichts mehr von ihr gehört hatte und es höchste Zeit war, sich bei ihr zu
melden.
Abends schickte er ihr eine Nachricht,
dass er im Verlauf der nächsten Woche wieder in New York eintreffen würde. Ob
sie zu ihm kommen wollte? Nachdem er keine Antwort erhielt, wurde er unruhig.
Er versuchte, Joanna telefonisch zu erreichen, aber sie nahm ein Gespräch von
ihm nicht an. Langsam realisierte er besorgt, dass er nur noch persönlich etwas
erreichen konnte.
7. April 2019
Endlich hatte Iwanow in New York
angelegt und machte sich auf den Weg zu ihr. Zu Hause war Joanna nicht, also
fuhr er an der Uni vorbei und im Anschluss schaute er in sämtliche Starbucks Coffeeshops,
in denen sie sich sonst aufhielt. Und tatsächlich, da fand er sie dann auch,
ein Buch und einen Schreibblock vor sich, in dem sie sich Notizen machte. Er
ging hinein und setzte sich erleichtert neben sie: "Joanna, Liebling!"
Sie schwieg, packte langsam ihre Sachen zusammen und wandte sich ihm dann ausdrucklos
zu: "Und, hattest du eine gute Reise? Sind deine Geschäfte gut
gelaufen?"
Schweren Herzens musterte er sie, es
würde nicht leicht werden. "So förmlich? Bekomme ich keinen Kuss?" Er
lächelte sie an, was sie nicht erwiderte.
Joanna nahm einen tiefen Atemzug und
begann ernst: "Ich weiß nicht, Boris, ob es mit uns noch länger Sinn
macht. Wir passen wohl einfach nicht zusammen, seien wir doch mal
ehrlich." Er lehnte sich jetzt regungslos zurück, verschränkte die Arme
und hörte ihr ruhig zu.
"Du lebst in einer so anderen
Welt, die nicht die meine ist, du bist soviel älter als ich und ich habe das
Gefühl, du versteht mich nicht oder willst mich nicht verstehen", sagte
sie entschlossen, mit einem Hauch von Traurigkeit im Gesicht. "Ich halte
es für das Beste, dass wir unsere Beziehung nicht weiter fortsetzen. Du bist
der Vater meines Kindes und als solcher hast du natürlich auch Rechte, aber darüber
hinaus will ich nichts mehr."
Iwanow spürte, wie sich eine lang
nicht mehr gefühlte, starke Traurigkeit in ihm auszubreiten begann. Sie saß
steif neben ihm, die personifizierte Abwehr, und schien so entschlossen, alles
hinzuwerfen. War das etwa sein Schicksal? Frauen, die sein Geld wollten und
wenn es mal nicht sein Geld war, die ihn dann letztendlich verließen? Schließlich
entschied er nach einer ganzen Weile, in der beide vor sich hin geschwiegen
hatten, dass er nicht so schnell aufgeben würde und das war ein Vorteil seines Alters.
Er stand auf, bestellte sich auch einen Kaffee und kam damit wieder zurück.
"Ja, du hast recht, jeder von uns
hat seine eigene Welt, auch wenn wir eine gemeinsame haben. Ja, ich bin älter
als du und ja, ich habe dich wirklich nicht verstanden bei unserem letzten
Streit." Er machte eine kurze Pause, nahm einen Schluck und sah, wie sie
ihn jetzt aufmerksam anschaute.
"Joanna, ich habe viel über uns
nachgedacht in den vergangenen Wochen und mir ist etwas klar geworden. Du hast
gesagt, dass du dir eine normale Familie wünscht." Er hielt einen Moment
inne, sie zärtlich ansehend. "Das wünsche ich mir genauso, allerdings in
dem Rahmen, der mir möglich sein wird. Du weißt, ich bin immer wieder fort, oft
für viele Wochen und das wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Aber wenn ich
bei dir bin, dann lass uns eine Familie leben, in der wir uns beide wiederfinden,
so sagt man es doch als angehende Psychologin, richtig?" Iwanow lächelte
sie warm an und fuhr fort: "Und ja, ich bin damit einverstanden, dass du entscheidest,
was du für notwendig erachtest und wie du es organisieren willst, was das Kind
und alles andere angeht. Ich werde das dir überlassen und alles mittragen. Und
wenn du es so wünschst, dann teilen wir uns eben die entstehenden Kosten. Eine
Bedingung habe ich aber", erleichtert stellte er fest, dass sie ihn mittlerweile
überrascht ansah und offener wirkte.
"Das Apartment wird an dich
überschrieben, sodass es vollständig dir gehört. Ich habe es mittlerweile
gekauft. Schau, du schenkst unserem Kind das Leben und ich möchte dir einfach
auch etwas schenken für dieses große Glück."
Beide sahen sich an und er merkte, wie
sie zu schwanken begann.
"Joanna", sagte er weich und
nahm ihre Hand, "lass es uns versuchen, ich will dich nicht
verlieren."
Sie schaute ihn an und erwiderte
schließlich leise: "Das will ich auch nicht." Iwanow breitete seine
Arme aus und endlich kam sie zu ihm. Joanna gestand ihm, wie unglücklich sie
sich in den letzten Wochen gefühlt hatte und er hielt sie innig umarmt, sie
zärtlich liebkosend. Sie vereinbarten, dass sie morgen Nachmittag zu ihm kommen
würde, da am Vormittag eine Prüfung anstand, für die sie ausgeschlafen sein
wollte.
Eine Woche später stellte er fest,
dass er richtig entschieden hatte. Ihre Beziehung erlebte er intensiver als
vorher, sowohl im Umgang miteinander, als auch im Bett. War
es das, was man Glück nannte? Er schenkte sich bewegt einen Wodka ein - soviel
Glück ließ sich ja anders kaum ertragen.
Ende September 2019 kam sein Sohn Nikolai zur Welt.
Es war ein warmer Sommer gewesen und
er hatte sich redlich bemüht, alle ihre Entscheidungen zu akzeptieren. Sie
hatte ihn und sich zu einem Geburtsvorbereitungskurs angemeldet. Kein SUV und auch
kein Kindermädchen, so lautete ihre Ansage. Joanna wollte in ihrer kleinen
Klapperkiste weiterfahren und war der Meinung, dass da alles reinpasste, was zu
besorgen wäre. Sie hatten gemeinsam den Kindersitz ausgesucht, die ganze
Ausstattung für das Kinderzimmer und die Babykleidung. Die Kosten hatten sie sich,
wie ausgemacht, geteilt. Da sie jetzt keine Miete mehr zahlen musste, wäre das
andere ein Kinderspiel für sie, hatte sie fröhlich verkündet. Als ihre
Schwangerschaft voran schritt, war er unruhig geworden und wirkte auf sie ein,
dass sie sich mehr schonte. Aber sie hatte ihm klar gemacht, dass sie nicht
krank sei und in ihrem Zustand auf nichts verzichten wollte, weder auf ihn noch
auf ihre Studien oder anderes. Iwanow hatte sie still angesehen, aber im Grunde
war er stolz auf sie, was er ihr nicht sagte, damit sie nicht noch
unvernünftiger wurde. Und irgendwann war es soweit und sie fuhren ins
Krankenhaus und er war bei der Geburt seines Sohnes Nikolai mit dabei. Den
Namen hatte er sich ausgebeten und gleichzeitig lächelnd vorgeschlagen, dass
sie den Namen bestimmen dürfte, wenn es das nächste Mal ein Mädchen sei. Und
nun bekam er zum ersten Mal in seinem Leben eine Geburt mit und war bei ihr,
bis das kleine Köpfchen erschien.
Sie lebten jetzt als Familie in der
Wohnung oder auf seinem Schiff - ein Kinderzimmer war mittlerweile auch dort
eingerichtet worden - sodass sich immer einer um das Kind kümmern konnte. Während
der Vorlesungen war der Kleine bei ihm oder sie bestellten einen Babysitter.
Manchmal brummte er vor sich hin, dass sie es doch wirklich einfacher hätten haben
können, wenn er die Windeln wechselte oder er nachts zum Kind wanderte, damit sie
mal durchschlafen konnte. Aber im Grunde war es sehr berührend, seinen Sohn so zu
erleben, der nun sein ganzer Stolz war. Und seine Joanna schickte ihn doch
tatsächlich ungerührt mit Einkaufslisten und Müllsacken los, wie er schmunzelnd
feststellte.
Schließlich kam, wie schon erwartet,
ein Anruf von Koslow, der ihn Anfang Oktober auf die nächste Mission ins
Mittelmeer schickte. So verließ Iwanow, nach einigen
Vorbereitungen und einem bewegten Abschied von Joanna und seinem kleinen Sohn, New
York wieder für eine ungewisse Zeit.